Animus
Gefühl nicht widersprechen – wie das bei vielen Menschen, vor allem bei uns unterentwickelten Männern der Fall ist. Das ist im Groben das, was auf Sie zukommt. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Jetzt zu Ihren Fragen, bitte.«
Zuerst meldete sich eine kleine Rothaarige, die in Los Angeles rekrutiert worden war:
»Dieser widerliche Typ, der mich aus dem Knast geholt hat, Harsley hieß er, sagte irgendwas von Risiken, weswegen hier nur Knastfrauen sind. Was hat es damit auf sich?«
»Die Gentherapie zeigt meist nur leichte Nebenwirkungen. Das Hormon, welches wir im Übrigen C15 nennen, kommt schon unangenehmer daher«, erklärte Schmelzer. »Einigen Frauen wird übel, manche übergeben sich, wenn das Hormon in größeren Mengen ausgeschüttet wird, andere spüren überhaupt nichts, manche bekommen zeitweise Schweißausbrüche. Wir hatten mal eine Probandin, die bekam immer Fressattacken …«
Ich lächelte bei dem Gedanken an Sybils frühere Hotdog- und Hamburgerexzesse. Dennoch war ich irritiert. Aber ich wollte den Professor erst einmal ausreden lassen.
»… Im Grunde lassen sich die Nebenwirkungen mit denen einer Schwangerschaft vergleichen oder auch mit heftigem PMS. Auf Ihre Frage, warum hier nur Frauen aus Gefängnissen anwesend sind, muss ich Ihnen sagen, dass das Projekt streng geheim ist. Fast alle von Ihnen haben keine Familie mehr, einige haben mit ihr gebrochen, auf jeden Fall sind Sie seit Ihrer Verurteilung darauf eingestellt, ein nicht gewöhnliches Leben unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu führen.«
»Ein nicht gewöhnliches Leben? Ich sollte auf den elektrischen Stuhl!«, rief in höhnischem Ton eine sehr junge Blondine, die ihre mit Springerstiefeln beschwerten Füße auf dem Tisch geparkt hatte.
»Das tut mir sehr leid«, meinte Schmelzer leise. »Aber sehen Sie, jetzt sind Sie hier. Es ist zwar bestimmt nicht schön hier, aber Sie leben.« Selbst der Professor schien nicht ganz von dem Glücksfall überzeugt, den er hier anpries. Er wich dem prüfenden Blick der Frau aus.
Ich sprang ihm zur Seite: »Ich kann nur bestätigen, was der Professor gesagt hat. Ich bin inzwischen auf Stufe zehn. Anfangs hatte ich mit einigen Problemen zu kämpfen, aber seit Stufe fünf geht’s mir prächtig. Manche haben die Übelkeit schon auf Stufe vier hinter sich, andere erst auf sechs. Ihr könnt selbst am besten beurteilen, wie empfindlich ihr seid. Ob ihr beispielsweise leicht seekrank werdet, Schwindelgefühl auf hohen Brücken oder gar Leitern habt oder ob euch schon beim Gedanken an einen behaarten Männerhintern übel wird.«
Ich hatte den richtigen Ton angeschlagen. Die Spannung, die im Raum stand, löste sich in Gelächter auf. Nur Evelyn blickte weiterhin ernst. Sie sagte kein Wort. Während die anderen Unmengen von Fragen stellten, blieb sie merkwürdig still.
Nachdem der erste Wissensdurst gestillt war, der eher unwichtige Details betraf wie Freizeitgestaltung, die Aufgabe der Schatten, ob es Urlaub gebe und Besuch erlaubt sei, wurde wieder eine Zigarettenpause verlangt. Schmelzer jedoch hob die Versammlung für den heutigen Tag auf. Ich musste zum Flughafen gebracht werden. Er versprach den Neuen, dass er die nächsten beiden Monate anwesend sein würde und ihnen jederzeit zur Verfügung stehe. Dann gingen alle hinaus – bis auf mich und Schmelzer.
»Ist doch ganz gut gelaufen fürs Erste«, meinte der Professor.
»Schon.« Ich schaute Schmelzer forschend ins Gesicht.
»Was schaust du mich so an?«
»Weil Sie, als Sie von Sybil sprachen, unserer geliebten Neun mit den Fressattacken, die Vergangenheitsform benutzten.«
»Hab ich das?«, entfuhr es Schmelzer.
»Haben Sie.«
Schmelzer rieb seine Augen, als versuchte er mit Gewalt aus einem schlimmen Traum aufzuwachen. Dann kramte er sinnlos in seiner Tasche herum: »Tust du mir den Gefallen und sparst dir das Thema auf, bis ich wieder in Washington bin?«
Mein Gesicht verdüsterte sich. »Okay, ich weiß Bescheid.«
Ich stand auf und ging schleppenden Schrittes hinaus. Ich zündete mir eine Zigarette an, meine Hand zitterte ein wenig. Die anderen waren schon in ihren Unterkünften. Nur Evelyn stand wartend in einer Ecke herum und kam auf mich zu. »Was ist mit dir? Du bist ganz blass.«
»Ich bin nur müde.«
»Darf ich dich was fragen?«
Ich nickte.
»Ich habe die Frauen inzwischen alle kennengelernt. Hier sind zwei Sechser, zwei Fünfer und zwei Vierer. Wieso gibt es keine Zweier und Dreier?«
»Das Projekt wurde
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