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Animus

Animus

Titel: Animus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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Lager warst. Aber du hast keinen Ton darüber gesagt. Warum nicht?«
    Mir wurde flau im Magen. »Ich vermute es nur. Schmelzer hat eine seltsame Andeutung gemacht. Er wollte aber erst darüber reden, wenn er zurück ist. Woher weißt du davon?«
    »Pete hat es mir bei meinem letzten Routinegang erzählt.«
    »Bei mir hat er kein Wort über Sybil verloren.«
    »Nun werd bloß nicht zickig. Er geht davon aus, dass ich die Info brühwarm an dich weiterreiche. Außerdem hat er nur erwähnt, dass Sybil in letzter Zeit überreagiert hat. Als der Präsident in Los Angeles war, muss sie nicht richtig getickt haben. Sie hat ständig Alarm gegeben, aber es konnte nichts gefunden werden. Außerdem soll sie wirres Zeug geredet haben vom Untergang der Welt und so. Der Präsident fand Sybils Panikattacken nicht lustig. Also haben Walcotts Männer sie aus dem Verkehr gezogen.«
    »Das hat Pete gesagt?«
    »Nicht wörtlich. Du kennst ja das übliche Geschwafel vom Sicherheitsrisiko. Aber irgendetwas muss dahinterstecken. Sybil war nicht der Typ, der durchknallt. Mein Gott, was für ein Scheißleben, was für ein Scheißtod … Abgeknallt wie eine Ratte, heißt es, oder?« Sie lachte bitter auf.
    »Pass bloß auf wegen deiner Pillenschluckerei. Blitzschnell wirst du auch zum Sicherheitsrisiko. Die Sache vorgestern ging gerade noch mal gut. Aber das war haarscharf.«
    Sie nickte betroffen. »Ist angekommen. Und jetzt sag mir, was mit dir los ist. Wann, wie oft und vor allem warum überkommt dich diese Übelkeit? Ist es wie bei einem Alarm?«
    Ich zögerte. Das Ganze war mir selbst unheimlich. Aber mit wem sollte ich darüber reden, wenn nicht mit Katya? »Eher eine vage Bedrohung. Kein Alarm. Das Gefühl, dass sich etwas zusammenbraut. Allerdings bleibt es verschwommen. Ich kann es nicht entziffern. Das Seltsame ist, dass es mich häufig bei harmlosen Kontrollen befällt. Die Umgebung ist sauber. Und doch sirrt ein Draht in mir, ganz leise, ganz versteckt. Wenn ich mich darauf konzentriere, wird mir übel. Wahrscheinlich bin ich nur überreizt. Schmelzer wird uns nächste Woche untersuchen. Bestimmt bin ich völlig gesund.«
    Katya blickte mich skeptisch an. »Ich habe ähnliche Symptome. Als ich das letzte Mal im Weißen Haus war, wurde ich unruhig. Dabei war alles in Ordnung. Das spürte ich deutlich. Ein verwirrender Zustand. Es geht mir genau wie dir, ich kann es an nichts festmachen. Aber seit ich von Sybil weiß, klingeln bei mir alle Alarmglocken. Was Pete von ihr erzählt hat, klingt verdammt ähnlich. Als wären wir in den Anfängen dessen, was Sybil den Kopf gekostet hat.«
    »Oder in den Anfängen dessen, was die anderen vor vier Jahren den Kopf gekostet hat«, sinnierte ich.
    Auf den Gedanken war Katya auch schon gekommen: »Du denkst über genau den gleichen Mist nach wie ich. Wir sollten unseren Professor in die Mangel nehmen. Ich will endlich wissen, was damals passiert ist. Ich will wissen, was mit mir, mit uns passiert. Wenigstens darauf sollten wir ein Recht haben.«
    Ich nickte.
    »Danke übrigens«, sagte sie leise.

14. Eine Kleinigkeit
    Frederic March, 41, Stabchef
    Obwohl das Ganze nun schon einige Jahre her ist, frage ich mich in schwarzen Nächten immer noch, ob ich Fehler gemacht habe. Ob die Katastrophe zu vermeiden gewesen wäre. Durch mich. Mikroskopische Beobachtung aller einwirkenden Kräfte, permanente Analyse, strategische Manipulation. Ich bin gut in meinem Job, habe alles im Griff, mich selbst jederzeit und mit Genuss auch die vielen Strippen, an denen ich mit Bedacht mal ziehe, mal locker lasse, um unseren Präsidenten in einer der öffentlichen Meinung angenehmen und meiner Karriere dienenden Spur zu halten. Aber ich bin wohl nicht gut genug, um mir täglich, sogar in jeder Sekunde, bewusst zu halten, dass ich nicht als Einziger über den Tellerrand hinausdenke und Zeichen richtig deute. Dass auch andere Maßnahmen ergreifen könnten und würden, ganz ohne meine vermeintlich allumfassende Kontrolle.
    Ich verließ mich damals auf die Lückenlosigkeit meines Informantennetzwerks, auf Wissen, Macht, Flexibilität und meinen tiefen Glauben an die menschliche Durchschaubarkeit. Es lag außerhalb meines Weltbilds, dass im Weißen Haus und seinem Umfeld, sei es freundlich oder feindlich gesinnt, Dinge von entscheidender Bedeutung ohne meine Kenntnis vonstattengehen könnten. Ich war selbstverliebt. Arrogant. Und zu leichtfertig in den kleinen Zusammenhängen, weil ich geblendet war von der Größe meines

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