Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Animus

Animus

Titel: Animus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
Vom Netzwerk:
nah, als könnten wir das Kaffeegedeck für sie schon auf den Tisch stellen. So als ob nie etwas gewesen wäre.
    Dann endlich war er zu Hause. Ein voller Mond schien inzwischen in die Küche, wo wir das Telefon auf dem Tisch aufgebaut hatten. Meine Finger tippten die Wahlwiederholung automatisch an. Als sich plötzlich eine nicht digitalisierte Stimme auf der anderen Seite der Leitung meldete, stellte ich fest, dass ich vor lauter Überraschung meinen Text vergessen hatte. Ich legte in einer absurden Reaktion sofort wieder auf, was Caroline vor Schreck veranlasste, mit einer ungeschickten Bewegung ihr Bier umzustoßen. Ich atmete tief durch, befahl den anderen mit einer strikten Geste Funkstille und wählte noch einmal.
    »Ja, hallo, Fowler, was ist denn?«, fragte eine schon leicht genervte Stimme.
    »Hallo, Fowler, hier Westwood. Erinnerst du dich an den Idioten aus den Wäldern? Der dich immer im Schach geschlagen hat?«
    »Hey, Marc!«
    Die Überraschung in der Stimme klang nicht ganz überzeugend. Aber das anzunehmen wäre absurd, dachte ich. Wahrscheinlich war ich in den letzten Jahren meiner Wanderschaft paranoid geworden. Ein Wunder wär’s nicht.
    »Es war ganz schön schwer, dich ausfindig zu machen. Wir haben hier unten nur gehört, dass du bei der Polizei bist. Aber wo? Fowler, was treibst du, gehst du Streife, verhaftest du Penner, oder was?« Ich war sehr zufrieden, trotz meiner Aufregung einen dermaßen lockeren Ton anschlagen zu können.
    »Und was treibst du, Westwood? Es ist auch gar nicht einfach, dich ausfindig zu machen, nicht wahr? Aber das ist dir sicher sehr recht, oder?«
    Mir verschlug es kurz die Sprache. War ich doch nicht paranoid? Ich hatte auf Lautsprecher geschaltet und wusste nicht, was Charlie und Caroline von diesen obskuren Andeutungen halten würden. Ich wusste selbst nicht, wie ich diese Bemerkungen einordnen sollte. Aber ich hatte kein gutes Gefühl dabei.
    »Hör zu, ich bin hier bei Charlie und Caroline. Die beiden hören mit und würden auch gerne wissen, wie es dir geht.«
    »Hey, Caroline, hallo, Charlie! Mir geht’s prima! Und euch Hinterwäldlern?«
    Charly war immerhin zu einem Minimum an Konversation fähig. Carolines Nervosität reichte gerade mal für ein gekrächztes »Hallo«.
    Ich wusste nicht, wie ich vorgehen sollte. Konnte ich ohne Umschweife zum Thema kommen? Wer war dieser Pete aus meiner Kindheit inzwischen, was war aus ihm geworden, wo stand er? Wusste Pete irgendwas über meine Vergangenheit bei der Stadtguerilla? Oder waren seine Andeutungen harmlos? War die Leitung sauber? Konnte ich meinem alten Freund noch trauen? All dies schoss mir im Bruchteil einer Sekunde durch den Kopf. Überraschenderweise jedoch half Fowler mir: »Marc, ich kann mir denken, weshalb du dich meldest. Ich habe schon seit Wochen mit deinem Anruf gerechnet. Wirst langsamer, was?«
    Plötzlich fühlte ich mich sicher. Ich hatte recht gehabt mit meiner Vorsicht. Fowler war ebenfalls vorsichtig. Er nannte die Dinge nicht beim Namen, obwohl ich mir jetzt sicher war, dass er genau wusste, worum es ging. Ich atmete tief durch. Dann sagte ich: »Hast recht. Ich würde dich gerne mal wiedersehen. Ließe sich das machen?«
    »Klar. Aber du müsstest herkommen.«
    »Ich bin in drei Tagen da. Wo treffen wir uns?«
    »Ruf mich an, wenn du in der Stadt bist. Wir gehen ein Bier trinken, unterhalten uns über alte Zeiten, okay?«
    »So machen wir’s, Alter. Bis dann!«
    »Bis dann.«
    Ich legte auf. Caroline und Charlie blickten mich verunsichert an. Sie wussten nicht, was sie von unserer allzu knappen Konversation zu halten hatten.
    »Er weiß etwas. Und er wird es mir sagen.« Ich erhob mich abrupt, wehrte ihre hektischen Fragen ab, pfiff nach Devil und ging mit ihm raus. Devil freute sich über den unerwarteten Spaziergang und lief kläffend vor mir her. Ich fragte mich, wie genau Fowler worüber informiert war. Aber alle Dinge haben ihre Zeit. Nichts geschieht zu einem unpassenden Moment, es kommt einem nur so vor, weil man die innere Struktur, die unausweichliche Logik in der Abfolge der Ereignisse nicht erkennt. Also schüttelte ich meine unnützen Grübeleien ab. Ich würde es bald erfahren.
    Ich nahm einen großen Ast und schleuderte ihn in die Luft. Devil flitzte hinterher. Es war absolut finster. Selbst eine Fledermaus hätte den Stock nicht finden können. Doch Devil sah das als Herausforderung.
    Am nächsten Morgen warf ich meinen Rucksack wieder auf den Rücksitz des Oldsmobile.

Weitere Kostenlose Bücher