Animus
hätte versucht, durch den Park zu entkommen. Man hätte mit denen eh nicht mehr arbeiten können. Also hat er sie eliminieren lassen. Sagte er.
Abgeknallt haben sie die Frauen. Niedergemetzelt. Wie Schlachtvieh. Ich saß nur da und habe keinen Ton herausgebracht. Snyder hat sich höllisch aufgeregt, Walcott vorgeworfen, vorschnell gehandelt zu haben. Vorschnell, dass ich nicht lache! Das ging noch ein paar Tage so, eine Sitzung nach der anderen. Eine richtige Untersuchung gab es nicht, nur die Köpfe haben sie sich fast eingeschlagen, Walcott und Snyder. March war damals noch nicht im Amt. Den Präsidenten hat das alles nicht sonderlich beeindruckt. Er war nur sauer, dass er keine Schutzengel mehr in der Nähe hatte. Das Ende vom Lied war jedenfalls, dass Walcott belobigt wurde. Der Präsident schätzte seine Tatkraft und Entschlossenheit in Krisensituationen. So ungefähr hatte er sich ausgedrückt. Hätte nur noch gefehlt, dass er ihm einen Orden verleiht. Nur die Schatten wurden vom Dienst suspendiert. Lächerlich. Snyder hat sich dann doch durchsetzen können. Jedenfalls wurde die Oberaufsicht über das Projekt nun offiziell Snyder übertragen. Snyder schickte daraufhin Pete nach Roswell, als seinen Gewährsmann sozusagen. Pete wurde als Schatten eingeteilt, was seine offizielle Rolle im Lager beschrieb. Aber Walcott wusste sehr wohl, dass Pete da war, um ihm auf die Finger zu sehen und das Projekt ein Jahr lang aus der Nähe zu überwachen. In diesem einen Jahr habe ich mit Snyders Unterstützung und dann auch mithilfe von March, der inzwischen zum Team des Präsidenten gestoßen war, daran gearbeitet, die Freistellung ab Stufe Sieben durchzusetzen. Wir haben in harter, gemeinschaftlicher Arbeit dem Präsidenten klargemacht, dass völliges Umdenken erforderlich war. Dass die Frauen nicht nur körperlich, sondern auch psychisch stabilisiert werden müssen. Außerdem haben wir die Neurekrutierungen gestoppt, bis wir die Sache im Griff hätten. Mein Gedanke dabei war, das Projekt ganz einfach einschlafen zu lassen. Deshalb gibt es keine Dreier und Zweier. Aber wie wir heute wissen, hat das nicht funktioniert. Jetzt sind acht Neue dazugekommen.«
Endlich hob ich wieder meinen Blick. Wagte, Lucy und Katya in die Augen zu sehen. Sie hielten sich an den Händen. Wie zwei kleine Mädchen. Über ihre Wangen rollten Tränen. Sie schauten mich nur an. Sagten kein Wort. Brauchten sie auch nicht.
17. Kontakt
Marc, 32, Aussteiger
Fünf Tage hatte es gedauert. Fünf Tage auf den Bildschirm starren, lesen, suchen, sichten, bis uns die Augen flimmerten. Unendlich viele Tassen Kaffee, unendlich viele Zigaretten, Salzstangen, Fehlschläge, Telefonlisten, Frustrationen, Anrufe, Anfragen, falsche Adressen. Wir waren in den dunkelsten Ecken des Netzes gelandet, hatten harmlose, unnütze und unsägliche Angebote bekommen, von Blind-Date-Adressen über Penisverlängerungsangebote bis zu pornograpfischen Fotos von Frauen mit Männern, Frauen mit Geräten, Frauen mit Tieren, Männern mit Männern, Frauen, Tieren, Frauen und Männern mit Tieren und Geräten und Kindern und dann wieder Viagra plus Blind-Date-Werbung. Wie dem auch sei, in jeder Stadt schien es mindestens einen Fowler mit passendem Vornamen zu geben, nur dass diese Fowlers allen möglichen Geschäften nachgingen, halbwegs sauberen wie Waschpulverwarenverkehr oder auch schmutzigen wie Immobilienmaklerei oder sonst was. In Washington gab es nur zwei Fowlers. Der Erste war Bäcker, der Zweite nicht zu Hause. Doch ich glaubte seine Stimme auf dem Anrufbeantworter zu erkennen. Charlie streckte sich, rieb seinen schmerzenden Nacken, knetete seine Finger. Geschafft – endlich, unglaublich, hoffentlich. Vielleicht. Er fuhr in die Stadt, kaufte vorsorglich Champagner. Eine halbe Stunde später saßen wir gemeinsam mit Caroline vor dem Telefon, starrten es an und rechneten alle zehn Minuten den Zeitunterschied zwischen Washington und Colorado neu aus.
»Ob er jetzt vielleicht zu Hause ist?«, fragte Caroline zum dritten Mal innerhalb der letzten halben Stunde. Sie konzentrierte sich darauf, diese Frage zum gut platzierten Running Gag aufzubauen. Keiner von uns kam auf die Idee, dass ihre Fröhlichkeit verfrüht sein könnte. Dass dieser Fowler vielleicht auch Waschpulver oder Sodomie verhökerte. Oder dass er der Richtige sein könnte, allerdings mit null Informationswert. Wir fühlten uns wider alle Vernunft nach diesen anstrengenden Tagen, als hätten wir Evelyn zum Greifen
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