Anita Blake 02 - Bllutroter Mond
Finger schlossen sich um meine und hielten sie fest. »Ist schon gut«, sagte ich, »ist schon gut.« Sie weinte. Ich hielt ihre Hand und erzählte Lügen. »Es ist alles gut, Wanda. Er kann Ihnen nicht mehr wehtun.« »Jeder tut einem weh«, widersprach sie. »Auch Sie wollten mir wehtun.« In ihren Augen stand die Anklage.
Es war ein bisschen zu spät, um das Spiel Guter-Cop-böser-Cop zu erklären. Sie hätte es ohnehin nicht geglaubt. »Erzählen Sie mir von Gaynor.« »Er hat mich durch eine ersetzt, die taub ist.« »Cicely.« Sie blickte überrascht auf. »Sie kennen Sie?« »Flüchtig.«
Wanda schüttelte den Kopf. »Cicley ist eine kranke Tussi. Sie quält gern Leute. Es macht ihr einen Riesenspaß.« Wanda sah mich prüfend an. War ich über Cicely entsetzt? Nein.
»Manchmal hat Harold mit uns beiden gleichzeitig geschlafen, anfänglich. Am Ende war es dann immer ein Dreier. Es wurde wirklich grob.« Sie wurde immer leiser, zuletzt war es nur noch ein heiseres Flüstern. »Cicely hat es mit Messern. Sie kann richtig gut häuten.« Wieder rollte sie die Lippen ein, als gäbe es da Lippenstift zu verteilen. »Gaynor würde mich allein dafür umbringen, dass ich Ihnen seine Schlafzimmergeheimnisse verraten habe.«
»Kennen Sie irgendwelche Geschäftsgeheimnisse?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich schwöre. Er hat immer sehr darauf geachtet, mich da herauszuhalten. Ich dachte zuerst, es ginge ihm darum, dass ich nicht verhaftet werden könnte, falls die Polizei käme.« Sie blickte in ihren Schoß. »Später begriff ich, dass er das tat, weil er wusste, er würde mich durch eine andere ersetzen. Er wollte nicht, dass ich etwas über ihn wusste, was ihm schaden kann, wenn er mich erst mal weggeworfen hatte.«
Diesmal war keine Bitterkeit zu hören, keine Wut, nur eine dumpfe Traurigkeit. Ich wollte sie wüten und toben sehen. Diese stille Verzweiflung tat weh. Bedeutete einen Schmerz, der niemals heilte. Gaynor hatte etwas Schlimmeres getan, als sie zu töten. Er hatte sie verlassen. Und zu einem seelischen Krüppel gemacht.
»Ich kann Ihnen nichts weiter als Bettgeschichten erzählen. Das reicht nicht, um ihm zu schaden.« »Hat er im Bett auch über etwas anderes als Sex geredet?«, fragte ich. »Was meinen Sie?«
»Persönliche Geheimnisse, die nichts mit Sex zu tun haben. Sie sind fast zwei Jahre lang seine Geliebte gewesen. Er muss doch mal über was anderes als Sex gesprochen haben.«
Sie dachte stirnrunzelnd nach. »Ich ... ich glaube, er hat einmal über seine Familie gesprochen.«
»Was ist mit seiner Familie?« »Er war illegitim. Er war besessen von der Familie seines leiblichen Vaters.« »Er hat sie gekannt?« Wanda nickte. »Sie waren reich, seit Generationen. Seine Mutter war eine Nutte, die zur Mätresse gemacht wurde. Als sie schwanger wurde, hat man sie rausgeworfen.«
Wie Gaynor es mit seinen Frauen machte. Freud ist so oft in unserem Leben im Spiel. Laut sagte ich: »Wie heißt die Familie?«
»Das hat er nie gesagt. Er dachte wahrscheinlich, ich würde sie erpressen oder mit seinen kleinen schmutzigen Geheimnissen zu ihnen gehen. Er wünschte sich verzweifelt, sie würden bedauern, ihn nicht in die Familie aufgenommen zu haben. Ich glaube, er hat nur deshalb so viel Geld gemacht, um genauso reich zu sein wie sie.«
»Wenn er nie einen Namen genannt hat, woher wussten Sie dann, dass er Sie nicht anlog?«
»Sie würden nicht fragen, wenn Sie ihn gehört hätten. Er redete immer so leidenschaftlich. Er hasste sie. Und er wollte sein Geburtsrecht. Das hätte Geld bedeutet.« »Was hatte er geplant, um an das Geld heranzukommen?«, fragte ich.
»Kurz bevor ich ihn verließ, fand er heraus, wo einige seiner Vorfahren begraben liegen. Er sagte etwas von Schätzen. Vergrabenen Schätzen, ist das zu glauben?« »In deren Gräbern?«
»Nein, die Familie seines Vater machte ihr erstes Geld als Flusspiraten. Sie befuhren den Mississippi und raubten Leute aus. Gaynor war gleichzeitig stolz und wütend darüber. Er meinte, dass der ganze Haufen aus Dieben und Huren hervorgegangen sei. Was bildeten die sich ein, ihm so arrogant zu kommen?« Sie musterte mein Gesicht. Vielleicht sah sie das Aufkommen einer Idee.
»Wie sollte ihm das Wissen, wo die Gräber seiner Vorfahren liegen, zu deren Schätzen verhelfen?«
»Er sagte, er würde einen Voodoopriester suchen, der sie erweckt. Er würde sie dann zwingen, ihm die
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