Anita Blake 02 - Bllutroter Mond
tausendmal gespürt, wie sich ein Kreis schloss, aber so etwas noch nicht. Der Schock nahm mir den Atem. Ich bekam keine Luft bei diesem Ansturm von Macht. Es war, als liefe elektrischer Strom durch meinen Körper. Meine Haut schmerzte davon.
Wanda war in fremdes Blut getaucht. Sie lag im Gras und hatte einen hysterischen Weinkrampf. »Bitte, bitte, töten Sie mich nicht. Töten Sie mich nicht! Bitte!« Ich brauchte Wanda nicht zu töten. Dominga hatte mir die Totenerweckung befohlen, und genau das tat ich jetzt.
Tiere zu töten hatte mir nie diese Art von Gewalt verschafft. Mir war, als würde meine Haut von selbst fortkriechen. Ich drängte die Macht, die mich durchströmte, in den Boden. Aber nicht einfach in das Grab dieses Kreises. Ich hatte zu viel Macht für nur ein Grab. Zu viel Macht selbst für eine Handvoll Gräber. Ich fühlte, wie die Macht sich in Wellen ausbreitete wie in einem Teich. Weiter und weiter, bis sie dicht und lückenlos über den Boden verteilt war. Über jedes . Grab, das ich für Dolph abgeschritten hatte. Über jedes, bis auf die mit den Geistern. Denn eine Totenerweckung ist keine Geisterbeschwörung.
Ich spürte jedes Grab, jede Leiche, Ich spürte, wie Staub und Knochenfragmente zu Wesen verschmolzen, die kaum noch tot waren.
»Steigt aus euren Gräbern, ihr Toten, soweit ihr meinen Ruf vernehmt. Erhebt euch und dient mir!« Ohne sie einzeln zu nennen, hätte ich eigentlich nicht fähig sein sollen, sie aus dem Grab zu rufen, aber die Macht aus zwei Menschenopfern war zu viel, als dass die Toten ihr nicht Folge leisteten.
Sie stiegen auf wie Schwimmer im Wasser. Die Erde kräuselte sich wie die Haut eines Pferdes.
»Was tun Sie?«, fragte Dominga.
»Die verlangte Totenerweckung«, sagte ich. Vielleicht erriet sie es an meiner Stimme. Vielleicht spürte sie es. Wie auch immer, sie rannte auf den Kreis zu, aber es war zu spät.
Hände stießen durch das Erdreich und zogen an Domingas Füßen. Tote Hände, die ihre Fußgelenke packten, sodass sie der Länge nach in das hohe Gras stürzte. Dominga sah ich nicht mehr, aber die Toten hatte ich unter Kontrolle. Ich befahl ihnen: »Tötet sie, tötet sie.«
Das Gras erzitterte und wogte wie Wasser. Die Nacht füllte sich mit dem Geräusch reißenden Fleisches, das in großen nassen Stücken von Knochen gezerrt wurde, mit dem Knacken zerbrechender Knochen und den Schreien Dominga Salvadors.
Es gab einen letzten satten, nassen Laut. Domingas Schreie brachen plötzlich ab. Ich fühlte tote Hände ihr die Kehle herausreißen. Ihr Blut benetzte das Gras wie schwarzer Regen.
Ihr Zauber zerriss im Wind, aber ich brauchte ihren Zwang nicht. Die Macht hatte mich erfasst. Ich flog mit ihr wie ein Vogel auf einem Luftstrom. Sie hielt mich und hob mich empor. Sie fühlte sich fest und doch körperlos an.
Auf dem Grab von Gaynors Vorfahre brach die trockene, eingefallene Erde auf. Eine bleiche Hand schoss senkrecht heraus. Eine zweite stieß durch den Riss. Der Zombie durchbrach die Kruste. Auch andere alte Gräber hörte ich in der stillen Sommernacht aufbrechen. Der Zombie kam aus seinem Grab, wie Gaynor es gewollt hatte.
Gaynor saß in seinem Rollstuhl auf dem Hügelkamm und war von Toten umringt. Dutzende Zombies in verschiedenen Verfallsstadien drängten zu ihm hin. Aber ich hatte den Befehl noch nicht gegeben. Sie würden ihm nichts tun, solange ich es nicht befahl.
»Fragen Sie ihn, wo der Schatz ist«, rief Gaynor.
Ich starrte ihn an, und mit mir wandten alle Zombies den Blick auf ihn. Er begriff nicht. Gaynor war wie viele Leute mit Geld. Sie verwechseln Geld mit Macht. Das ist keineswegs dasselbe.
»Tötet den Mann Harold Gaynor.« Ich sprach es laut genug, dass die Worte in die stille Nachtluft getragen wurden. »Ich werde Ihnen eine Million Dollar dafür geben, dass Sie ihn erweckt haben. Ob ich den Schatz finde oder nicht«, sagte Gaynor.
»Ich will Ihr Geld nicht, Gaynor«, stellte ich klar.
Die Zombies kamen von allen Seiten, langsam, mit ausgestreckten Händen, wie man es aus jedem Horrorfilm kennt. Manchmal ist Hollywood zutreffend. Na, so was!
»Zwei Millionen, drei Millionen!« Seine Stimme überschlug sich vor Angst. Er hatte Domingas Tod von einem besseren Platz aus verfolgt als ich. Er wusste, was kommen würde. »Vier Millionen!«
»Nicht genug«, sagte ich. »Wie viel?«, rief er. »Nennen Sie den Preis!« Ich konnte ihn nicht mehr
Weitere Kostenlose Bücher