Anita Blake 02 - Bllutroter Mond
hübsch. Ich kannte sie nicht. Das Foto war augenscheinlich nicht gestellt. Dafür wirkte es zu ungezwungen, und in ihrem Blick sah man, dass sie nicht wusste, dass sie gerade fotografiert wurde.
»Wer ist das?« »Sie war bis vor fünf Monaten seine Freundin«, antwortete Irving. »Also ist sie ... behindert?« Ich betrachtete das hübsche, freimütige Gesicht. Man hätte es ihr auf dem Foto nicht angemerkt. »Rollstuhl-Wanda.«
Ich starrte ihn an. Ich merkte, wie meine Augen immer größer wurden. »Das ist nicht Ihr Ernst.« Er grinste. »Rollstuhl-Wanda kreuzt in dem Ding die Straßen. Bei bestimmten Leuten ist sie sehr beliebt.« Eine Prostituierte im Rollstuhl. Nein, das war zu verrückt. »Wo finde ich sie?« »Meine Kollegin und ich wollen uns in die Sache reinhängen.«
»Darum haben Sie das Foto aus der Akte genommen.« Er hatte nicht einmal den Anstand, verlegen zu tun. »Wanda würde mit Ihnen allein nicht reden, Anita.« »Hat sie mit Ihrer Kollegin geredet?«
Er runzelte die Stirn, das Siegerleuchten in seinen Augen ließ nach. Ich wusste, was das bedeutete. »Sie wollte nicht mit Reportern reden, stimmt's nicht, Irving?«
»Sie hat Angst vor Gaynor.« »Die sollte sie auch haben«, sagte ich. »Wenn sie nicht mit uns redet, warum dann mit Ihnen?« »Wegen meines gewinnenden Wesens«, antwortete ich. »Na, na, Blake.« »Wo hält sie sich gewöhnlich auf, Irving?« »Oh Mann.« Er leerte sein Glas mit einem einzigen ärgerlichen Schluck. »Sie bleibt immer in der Nähe eines bestimmten Clubs, heißt The Grey Cat.«
The Grey Cat. Nachts sind alle Katzen grau. Niedlich. »Wo ist der Club?«
Luther antwortete. Ich hatte nicht bemerkt, dass er zurückgekommen war. »Auf der Hauptstraße vom Tenderloin, Ecke Zwanzigste und Grand. Aber ich würde nicht allein dahin gehen, Anita.«
»Ich kann auf mich aufpassen.«
»Ja, aber du siehst nicht danach aus. Du willst nicht irgendeinen Trottel niederschießen, den gerade ein gewisser Drang überkommt oder Schlimmeres. Nimm einen mit, der gemein aussieht und erspare dir die Aufregung.«
Irving zuckte die Achseln. »In die Gegend würde ich auch nicht allein gehen.«
Ich gab es wirklich ungern zu, aber sie hatten Recht. Ich mag ja eire spitzenmäßige Vampirtöterin sein, aber man sieht es mir nicht an. »Na gut, ich werde Charles mitnehmen. Er sieht hart genug aus, um es mit den Green Bay Packers aufzunehmen, aber in seinem Herzen ist er oh so sanft.«
Luther lachte und stieß dabei den Rauch aus. »Mute dem alten Charlie nicht zu viel zu. Er könnte in Ohnmacht fallen.«
Man werde einmal in der Öffentlichkeit ohnmächtig, und die Leute sorgen dafür, dass man es nie mehr vergisst.
»Ich werde ihn vor allem bewahren.« Ich legte mehr Geld als nötig auf die Theke. Luther hatte mir diesmal nicht viel mitgeteilt, aber gewöhnlich tat er es. Wertvolle Informationen. Ich hatte noch nie den vollen Preis zahlen müssen. Ich bekam einen Nachlass, weil ich mit der Polizei in Verbindung stand. Dead Dave selbst war Polizist gewesen, bevor sie ihn rauswarfen, weil er ein Untoter geworden war. Wie kurzsichtig. Er war noch immer stinkwütend darüber, aber er wollte gern helfen. Darum versorgte er mich mit Informationen, und ich gab eine Auswahl davon an die Polizei weiter.
Dead Dave kam aus der Tür hinter der Theke. Ich schaute zu der dunklen Fensterscheibe hinüber. Sie sah noch genauso aus wie vorher, aber wenn Dave auf war, musste es dunkel sein. Scheiße. Das hieß, umringt von Vampiren zum Auto zu gehen. Wenigstens hatte ich meine Pistole. Beruhigend.
Dave ist groß, breit und hat kurzes braunes Haar, das ihm weitgehend ausgefallen war, als er starb. Er hat danach keine Haare mehr verloren, aber es sind auch keine nachgewachsen. Er lächelte mich so breit an, dass die Reißzähne aufblitzten. Ein aufgeregtes Zittern durchlief die Gäste, als wäre ein einheitlicher Nerv berührt worden. Ein Geflüster breitete sich aus wie Ringe in einem Teich. Vampire. Die Show begann.
Dave und ich gaben uns die Hand. Seine Hand war warm, fest und trocken. Schon gegessen heute Abend, Dave? Er sah ganz so aus, rosig und zufrieden. Wovon hast du dich ernährt, Dave? Und war das Opfer willig? Wahrscheinlich. Für einen toten Mann war Dave ein guter Kerl.
»Luther erzählt mir so oft, dass du hereinschaust, aber du kommst immer nur am Tag. Schön, dass du dich auch mal bei Dunkelheit unters Volk
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