Anita Blake 03 - Zirkus der Versammten
gehabt.
Jemand fluchte, und ich drehte mich um. Der Brünette war ausgerutscht. Ich musste schmunzeln. Ich wartete nicht, bis sie mich einholten. Ich hatte genug von der Aufpasserei, und der Gedanke, dass ich heute nicht mehr zum Schlafen käme, versetzte mich in schlechte Laune. Unsere terminreichste Nacht des Jahres, und ich würde nicht zu gebrauchen sein. Oliver sollte mir besser etwas äußerst Wichtiges mitzuteilen haben.
Rings um einen hohen Schotterhaufen sah man in eine schwarze Öffnung. Eine Höhle. Ronald trug die Lamia hinein, ohne auf mich zu warten. Eine Höhle? Oliver war in eine Höhle umgezogen? Irgendwie passte das nicht zu dem Bild von ihm in dem modernen, sonnigen Arbeitszimmer.
Am Eingang der Höhle war es leidlich hell, aber ein paar Schritte ins Innere war die Dunkelheit undurchdringlich. Ich wartete am Rande des Lichts, unsicher, was ich tun sollte. Meine beiden Aufpasser betraten hinter mir die Höhle. Sie zogen kleine Stablampen aus der Tasche. Ihr Lichtstrahl wirkte erbärmlich.
Blondie ging voraus, Smiley machte das Schlusslicht. Ich lief zwischen den dünnen Lichtkegeln. Ein heller Fleck folgte meinen Schritten und verhinderte, dass ich über vereinzelte Steine stolperte, aber der Tunnelboden war zumeist eben und tadellos. In der Mitte floss ein schmales Rinnsal und suchte sich einen Weg zwischen den Steinen hindurch. Ich blickte nach oben, wo sich die Felsendecke in der Dunkelheit verlor. All das war durch Wasser entstanden. Beeindruckend.
Kalte Feuchtigkeit schlug mir ins Gesicht. Ich war froh, dass ich meine Lederjacke anhatte. Mir würde hier zwar bestimmt nicht warm werden, aber frieren würde ich auch nicht. Darum lebten unsere Vorfahren in Höhlen. Rund ums Jahr gleich bleibende Temperaturen.
Nach links zweigte ein breiter Gang ab. Im Dunkeln hörte man Wasser gurgeln. Viel Wasser. Blondie leuchtete mit seiner Lampe über einen Wasserstrom, der fast die gesamte Breite des Ganges einnahm. Er sah schwarz und tief und kalt aus.
»Ich habe meine Gummistiefel nicht dabei«, sagte ich. »Wir folgen dem Haupttunnel«, erwiderte Smiley. »Machen Sie keine Witze, die Herrin wird das nicht mögen.« Dabei sah er sehr ernst aus.
Der Blonde zuckte die Achseln, dann leuchtete er vor uns her. Das Rinnsal verbreiterte sich fächerförmig, aber es blieb noch zu beiden Seiten genug trockener Boden. Ich brauchte mir nicht die Füße nass zu machen. Noch nicht.
Wir gingen an der linken Wand entlang. Ich wollte mich daran abstützen und zuckte zurück. Sie war glitschig von herabrieselndem Wasser und ausgewaschenen Mineralien.
Smiley lachte über mich. Ich nehme an, Lachen war erlaubt.
Ich warf ihm einen stirnrunzelnden Blick zu, dann stützte ich mich mit der Hand an der Wand ab. Es war doch nicht so eklig. Ich war nur überrascht gewesen. Im ersten Moment hatte es sich schlimmer angefühlt.
Irgendwo rauschte Wasser, das aus großer Höhe herabstürzte. Gleich würden wir einen Wasserfall erreichen. Ich brauchte nichts zu sehen, um das zu wissen.
»Was glauben Sie, wie tief der Wasserfall ist?«, fragte Blondie.
Das Tosen wurde lauter und hüllte uns ein. Ich zuckte die Achseln. »Vier, fünf Meter, vielleicht auch mehr.«
Er lenkte den Lichtstrahl auf ein Bächlein, das etwa eine Handbreit herabstürzte. Dieser winzige Wasserfall speiste den dünnen Wasserlauf. »Die Höhle vervielfacht den Schall«, sagte er.
»Netter Trick«, erwiderte ich.
Ein breiter Felssockel führte zu einer Plattform hinauf, von der ein kleiner Wasserfall in mehreren Stufen herabsprang. Die Lamia saß auf der Kante und ließ die Füße mit den Stöckelschuhen herabbaumeln. Vielleicht drei Meter hoch, aber darüber schwang sich die Höhlendecke in die Finsternis empor. Das war es, was die Lautstärke vervielfachte.
Ronald stand hinter ihr, wie es sich für einen guten Leibwächter gehörte, die Hände vor sich ineinander gelegt. Neben den beiden befand sich eine breite Öffnung, die weiter ins Höhleninnere führte, zur Quelle des Bächleins.
Blondie kletterte hinauf und bot mir eine Hand. »Wo ist Oliver?«
»Knapp vor uns«, sagte die Lamia mit einer Spur Belustigung, als hätte sie einen Witz gemacht, den ich nicht verstand. Wahrscheinlich ging er auf meine Kosten.
Ich ignorierte Blondies Hand und kletterte allein auf die Felsplatte. Danach hatte ich nasse, braune Handflächen, Schlamm wie aus dem Bilderbuch. Ich
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