Anita Blake 03 - Zirkus der Versammten
kämpfte den Drang nieder, sie mir an der Hose abzuwischen, und kniete mich stattdessen an die Pfütze, aus der der Wasserfall entsprang. Das Wasser war eiskalt, aber ich wusch mir die Hände und fühlte mich besser. Ich rieb sie mir an der Hose trocken.
Die Lamia hatte ihre Männer um sich geschart, als posierten sie fürs Familienalbum. Sie warteten auf jemanden. Oliver. Wo war er?
»Wo ist Oliver?«
»Ich fürchte, er wird nicht kommen.« Die Stimme kam aus dem Innern der Höhle. Ich machte einen Schritt rückwärts, aber viel weiter konnte ich nicht gehen, ohne hinunterzufallen.
Die beiden Lampenstrahlen richteten sich auf die Felsöffnung wie winzige Bühnenscheinwerfer. Ins Rampenlicht trat Alejandro. »Sie werden Oliver heute nicht sehen, Ms Blake.«
Ich griff nach meiner Pistole, ehe irgendetwas anderes geschehen konnte. Das Licht ging aus, und ich stand in vollkommener Dunkelheit mit einem Meistervampir, einer Lamia und drei feindlich gesinnten Männern. Keiner meiner besseren Tage.
40
Ich ging in die Hocke, hielt die Waffe dicht am Körper. Die Dunkelheit war dick wie Samt. Ich konnte die Hand vor Augen nicht sehen. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf mein Gehör. Da, das Kratzen von Schuhen auf Stein. Ein Luftzug, als sich jemand näherte. Ich hatte dreizehn Silberkugeln. Wir würden gleich herausfinden, ob Silber einer Lamia etwas anhaben konnte. Alejandro hatte schon eine in die Brust bekommen und sah trotzdem nicht so viel schlechter aus.
Ich steckte bis zum Hals in der Scheiße.
Die Schritte waren so nah, gleich würde er auf mich treten. Ich spürte den Körper dicht bei mir. Ich schlug die Augen auf. Es war, als blickte man in das Innere einer Ebonitkugel, alles war vollkommen schwarz. Aber ich spürte, dass jemand über mir stand. Ich blieb in der Hocke, hob den Lauf auf Bauch- oder Brusthöhe und feuerte.
Das Mündungsfeuer war wie Blitze in der Nacht, blau leuchtende Blitze. Smiley stürzte rückwärts. Ich hörte ihn über die Felskante fallen, dann nichts mehr. Nichts als Dunkelheit.
Hände packten meinen Unterarm, und ich hatte keinen Laut gehört. Es war Alejandro. Ich schrie, als er mich hochzerrte.
»Deine kleine Kanone kann mir nichts anhaben«, sagte er. Seine Stimme war leise und sehr nah. Ich hatte die Pistole nicht weggesteckt. Er hatte keine Angst davor. Sollte er aber.
»Ich habe Melanie die Freiheit angeboten, sobald Olive und der Meister der Stadt tot sind. Dir biete ich ewiges Leben, ewige Jugend an, du darfst leben.« »Sie haben mir das erste Zeichen aufgezwungen.«
»Heute Nacht werde ich dir das zweite geben«, antwortete er. Seine Stimme war sanft und verglichen mit Jean-Claudes gewöhnlich, aber die Intimität der Dunkelheit und die Berührung durch seine Hände machten aus den Worten mehr, als sie sein sollten.
»Und wenn ich nicht Ihr Diener sein will?«
»Dann nehme ich dich trotzdem, Anita. Der Verlust wird deinem Meister schaden. Es wird ihn Anhänger kosten, Selbstvertrauen. Oh, ja, Anita, ich werde dich besitzen. Folge mir freiwillig, und es wird ein Vergnügen. Bekämpfe mich, und es wird eine Qual.«
Seine Stimme wies dem Pistolenlauf das Ziel, ich drückte ihn an die Kehle. Wenn ich sein Rückgrat zerschoss, könnte das, ob tausend Jahre alt oder nicht, sein Tod sein. Könnte. Bitte, lieber Gott.
Ich drückte ab. Die Kugel traf in die Kehle. Er taumelte rückwärts, ließ mich aber nicht los. Zwei weitere Kugeln in den Hals, eine in die Kinnpartie, und er schleuderte mich kreischend von sich.
Ich landete auf dem Rücken im eiskalten Wasser.
Ein Lampenstrahl zuckte durch die Dunkelheit. Blondie stand da, ein perfektes Ziel. Ich feuerte darauf, und das Licht erlosch, aber es gab keinen Schrei. Ich hatte zu hastig abgedrückt und danebengeschossen. Verfluchter Mist.
Ich konnte nicht im Dunkeln den Felsen hinunterklettern. Ich würde fallen und mir das Bein brechen. Blieb als einziger Ausweg, tiefer in die Höhle einzudringen, falls ich so weit käme.
Alejandro schrie noch immer, wortlos und zornerfüllt. Die Schreie hallten von den Wänden wider, bis ich zu meiner Blindheit auch noch taub war.
Ich kroch durchs Wasser, drückte mich mit dem Rücken an eine Wand. Wenn ich sie nicht hören konnte, dann sie mich vielleicht auch nicht.
»Nimm ihr die Pistole ab«, befahl die Lamia. Sie hatte sich bewegt und schien bei dem verwundeten
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