Anita Blake 04 - Giergige Schatten
was empfinden Sie für Richard?« Seine Stimme war randvoll von Gefühl. Es hätte Zorn sein sollen, kam mir aber anders vor. Etwas, wofür es kein Wort gab.
»Ich liebe ihn nicht nur, ich habe ihn auch gern. Ich genieße seine Gesellschaft. Ich ...« Ich hasste es, meine Gefühlslage erklären zu sollen. »Ach, zum Teufel, Jean-Claude, ich kann es nicht in Worte fassen. Ich kann mir vorstellen, mein Leben mit ihm zu verbringen, aber nicht mit Ihnen. »
»Wurde ein Datum festgesetzt?« »Nein.« Er neigte den Kopf zur Seite und sah mich forschend an. »Es ist die Wahrheit, aber da ist ein Hauch von einer Lüge dabei. Was verschweigen Sie mir, ma petite?« Ich zog die Brauen zusammen. »Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt.« »Aber nicht die ganze.«
Das wollte ich auch nicht. Darüber würde er sich zu sehr freuen. Ich empfand mich Richard gegenüber in gewisser Weise als treulos. »Ich bin mir wegen der Heirat nicht völlig sicher.«
»Warum nicht?« In seiner Miene lag so etwas wie Hoffnung. Ich durfte ihn nicht auf falsche Gedanken bringen. »Ich habe seine unheimliche Seite erlebt. Seine ... Kraft gespürt.«
»Und?« »Und jetzt bin ich mir nicht mehr sicher«, antwortete ich.
»Auch er ist Ihnen zu wenig Mensch.« Er warf den Kopf zurück und lachte. Ein Erguss der Freude, der mich wie mit Schokolade überzog. Schwer und süß und ärgerlich.
»Sie liebt einen anderen«, sagte Gretchen. »Spielt es eine Rolle, ob sie an ihm zweifelt? Sie misstraut dir. Sie lehnt dich ab, Jean-Claude. Genügt das nicht?« »Hast du das alles mit ihrem Gesicht gemacht?«
Sie zog einen engen Kreis wie ein Tiger im Käfig. »Sie liebt dich nicht so wie ich.« Sie kniete vor ihm nieder und fasste nach seinen Beinen, während sie zu ihm aufblickte. »Bitte, ich liebe dich. Ich habe dich immer geliebt. Töte sie oder lass sie diesen Mann heiraten. Sie verdient deine Bewunderung nicht.«
Er beachtete sie nicht. »Geht es Ihnen gut, ma petite?« Ja.«
Gretchen bohrte die Finger in seine Jeans, griff gierig seinen Beinen. »Bitte, bitte!«
Ich konnte sie nicht leiden, aber ihre Qual, ihre hoffnungslose Qual war schrecklich mit anzuhören. Sie hatte mich töten wollen, und trotzdem tat sie mir Leid.
Lass uns allein, Gretchen.« »Nein!« Sie klammerte sich an ihn. »Ich hatte dir verboten, ihr etwas zu tun. Du hast nicht horcht. Ich sollte dich töten.«
Sie blieb auf Knien und schaute zu ihm auf. Ich konnte ihr ihr Gesicht nicht sehen und war froh darüber. Ich hielt nicht viel von solcher Anbetung. »Jean-Claude, bitte, bitte, ich habe es nur für dich getan. Sie liebt dich nicht.«
Plötzlich hielt er sie am Hals gepackt. Ich hatte seine Bewegung nicht gesehen. Es war wie Magie. Was immer mich befähigte, ihm in die Augen zu sehen, verhinderte nicht, dass er meine Sinne täuschte. Oder er war wirklich so schnell. Wohl eher nicht.
Sie versuchte zu reden. Seine Finger drückten zu, und die Worte kamen kleinlaut. Er stand auf und hob sie auf die Füße. Sie schlang die Arme um seine Taille, um ihn daran zu hindern, dass er sie erhängte. Er hob sie weiter hoch, bis ihre Füße baumelten. Ich wusste, sie hätte ihn abwehren können. Ich hatte die Kraft dieser zierlich erscheinenden Hände gefühlt. Außer dass sie sein Handgelenk umklammerte, wehrte sie sich nicht. Würde sie sich von ihm töten lassen? Würde er es tun? Konnte ich dabeistehen und einfach zusehen?
Er stand da in seinem schönen schwarzen Hemd, sah elegant und zum Anbeißen aus, und hielt Gretchen am ausgestreckten Arm in der Luft. So ging er zu seinem Schreibtisch. Er hielt mühelos das Gleichgewicht. Selbst ein Lykanthrop hätte das nicht gekonnt, nicht so jeden_ falls. Ich betrachtete seinen schlanken Körper, während er über den Teppich schritt, und wusste, er konnte vorgeben, was immer er wollte, aber er war kein Mensch. Er war kein Mensch.
Hinter dem Schreibtisch ließ er sie herunter. Er lockerte seinen Griff, ließ sie aber nicht los.
»Jean-Claude, bitte. Wer ist sie, dass der Meister der Stadt um ihre Aufmerksamkeit bettelt?«
Er behielt die Hand um ihren Hals, aber ohne zuzudrücken. Mit der anderen schob er den Wandschirm zur Seite. Er faltete sich ein und offenbarte einen Sarg, der auf einem stoffverkleideten Podest stand. Das Holz war fast schwarz und spiegelblank poliert.
Gretchen riss die Augen auf. »Jean-Claude, Jean-Claude, es tut mir Leid. Ich habe sie doch nicht umgebracht. Ich hätte es tun können. Frage sie. Ich hätte sie
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