Anita Blake 05 - Bleich Stille
sicher, was herausgekommen wäre, wenn ich den Mund aufgemacht hätte. Jedenfalls nichts Nettes und nichts Nützliches.
8
Leute, die selten zelten gehen, denken immer, die Dunkelheit fällt vom Himmel herab. Tut sie nicht. Die Dunkelheit gleitet aus den Bäumen und verfinstert diese als Erste, dann breitet sie sich über das offene Gelände aus. Es war so dunkel unter den Bäumen, dass ich mir eine Taschenlampe gewünscht hätte. Als wir zur Straße stolperten und zu unserem wartenden Jeep, war es erst dämmrig.
Larry schaute zum Himmel, wo der Abend heraufzog und sagte: »Wir können zurückfahren und für Stirling den Friedhof abgehen.« »Lassen sie uns zuerst etwas essen«, sagte ich. Er sah mich an. »Sie wollen eine Essenspause einlegen, das ist etwas Neues. Gewöhnlich muss ich flehen, dass Sie irgendwo Halt machen.«
»Ich habe vergessen, heute Mittag etwas zu essen«, sagte ich. Er grinste. »Das glaube ich.« Das Lächeln verschwand langsam aus seinem Gesicht. »Es ist das erste Mal, dass Sie mir freiwillig ein Essen anbieten, und ich kann nichts runterbringen.« Er starrte mich an. Es war noch hell genug, dass ich sehen konnte, wie er mein Gesicht musterte. »Können Sie wirklich etwas essen, nach dem, was wir eben gesehen haben?«
Ich sah ihm in die Augen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Vor gar nicht langer Zeit wäre die Antwort nein gewesen. »Na ja, einen Teller Spaghetti oder ein Tatar braucht mir jetzt keiner vorzusetzen, aber, doch, ich könnte etwas essen.«
Er schüttelte den Kopf. »Was ist denn ein Tatar?« »Hauptsächlich rohes Hackfleisch«, sagte ich.
Er schluckte schwer, sah gleich noch ein bisschen blasser aus. »Wie können Sie überhaupt an solches Zeug denken nach diesem ...« Er ließ den Satz in der Luft hängen. Wir hatten es beide gesehen. Eine Beschreibung war nicht nötig.
Ich zuckte die Achseln. »Seit fast drei Jahren sehe ich mir am Fundort die Leichen an, Larry. Man lernt zu überleben. Das heißt, man lernt zu essen, nachdem man sich eine aufgeschlitzte Leiche angesehen hat.« Ich fügte nicht hinzu, dass ich schon Schlimmeres gesehen hatte. Ich hatte Tote gesehen, die nur noch ein Teppich voller Blut und Fleischklumpen gewesen waren. Gerade so viel, um eine Einkaufstüte zu füllen. Danach war ich nicht Hamburger essen gegangen.
»Wollen Sie nicht wenigstens versuchen, etwas zu essen?« Er sah mich ein bisschen argwöhnisch an. »Wo wollen Sie hin?«
Ich band mir die Nikes auf und trat behutsam auf den Straßenschotter. Wollte mir nicht die Strumpfhose zerreißen. Ich zog den Reißverschluss des Overalls auf und stieg hinaus. Larry tat das Gleiche, hatte aber die Schuhe angelassen. Er schaffte es, die Füße freizubekommen, aber das machte ein paar Einbeinhüpfer erforderlich.
Ich faltete meinen Overall sorgfältig zusammen, damit der makellose Innenraum des Jeeps keine Blutflecke bekam. Ich warf die Nikes auf die hintere Ladefläche und holte die Pumps heraus.
Larry versuchte, sich ein paar Falten aus dem Anzug zu bürsten, aber manches kriegt nur die Reinigung wieder hin. »Was halten Sie davon, ins Bloody Bones zu gehen?«, sagte ich. Er blickte auf, während er weiter auf die Falten klopfte, und runzelte die Stirn. »Wohin?« »In das Restaurant, das Magnus Bouvier gehört. Stirling es erwähnt.« »Hat er auch gesagt, wo das ist?«, fragte Larry.
»Nein, aber ich habe einen der hiesigen Polizisten nach Restaurants in der Nähe gefragt, und das Bloody Bones ist nicht weit weg.«
Larry kniff misstrauisch die Augen zusammen. »Warum wollen Sie dahin?« »Ich will mich mit Magnus Bouvier unterhalten.« »Wozu?«
Gute Frage. Ich war nicht sicher, ob ich eine gute Antwort hatte. Ich zuckte die Achseln und stieg in den Jeep. Larry blieb nichts anderes übrig, als sich mir anzuschließen, fortsetzen wenn er das Thema fortsetzen wollte. Als wir bequem im Wagen saßen, war mir noch immer keine wirklich gute Antwort eingefallen.
»Ich mag Stirling nicht. Ich traue ihm nicht.« »Dass Sie ihn nicht leiden können, habe ich gemerkt», sagte Larry mit sehr trockener Stimme. » Aber warum trauen Sie ihm nicht?« »Trauen Sie ihm?« Larry dachte stirnrunzelnd nach. Er schüttelte den Kopf. »Nicht von hier bis da.« Sehen Sie?«
»ja, aber meinen Sie, dass ein Gespräch mit Bouvier etwas einbringt?«»Ich hoffe es. Ich erwecke nicht gern Tote für Leute, denen ich nicht traue. Besonders so
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