Anita Blake 05 - Bleich Stille
Abzweigung?«
Im letzten Moment sah ich das Straßenschild. »Verdammt.« Ich bremste ab, konnte aber nicht über die Hügelgruppe sehen. Ich wagte keine Kehrtwende, ehe ich nicht sicher war, dass kein Verkehr auf der Gegenspur kam. Es dauerte eine halbe Meile, bis wir an eine Schotterstraße kamen. Da stand eine Reihe Briefkästen am Straßenrand. Die Bäume standen so dicht, dass sie die schmale Straße selbst ohne Laub in Schatten tauchten. Es gab keinen Platz im Wenden. Mann, wenn uns ein Wagen entgegenkäme, würde einer rückwärts rausfahren müssen. Die Straße stieg immer weiter an, als wollte sie einen direkt in den Himmel bringen. Auf dem Kamm oben konnte ich vor dem Wagen nichts erkennen. Ich musste einfach darauf vertrauen, dass die Straße vor uns weiterging und nicht vor einem Abgrund endete.
»Himmel, ist das steil«, sagte Larry. Ich lenkte den Jeep sachte voran, und die Räder trafen auf festen Boden. Meine Schultern lockerten sich ein kleines bisschen. Direkt vor uns stand ein Haus. Das Verandalicht rannte, als ob man Gäste erwartete. Die nackte Glühbirne war nicht einladend. Das Haus war aus ungestrichenem Holz und hatte ein rostiges Blechdach. Die erhöhte Veranda war unter dem Gewicht einer Autositzbank eingesackt, die neben der Fliegengittertür stand. Ich wendete auf der nackten Erde, die wohl den Vorgarten abgab. Es sah aus, als wären wir damit nicht die Ersten. Der staubtrockene Boden hatte vom jahrelangen Wenden tiefe Furchen.
Bis wir wieder am Ende der Straße angelangt waren, hatte sich die Dunkelheit in schwarzen Samt verwandelt. Ich schaltete das Fernlicht ein, aber es war, als führen wir durch einen Tunnel. Die Welt existierte nur, wo das Licht hinschien. Alles andere war tiefe Schwärze.
»Ich würde jetzt vieles für ein paar Straßenlampen geben«, sagte Larry. »Ich auch. Geben Sie mit mir auf die Abzweigung Acht. Ich will sie nicht schon wieder verpassen.«
Er beugte sich vor und zerrte am Schultergurt. »Da.« Er zeigte mit dem Finger. Ich bremste und bog vorsichtig ab. Die Scheinwerfer stachen in den Baumtunnel. Diese Straße bestand nur aus nackter roter Erde, die als Nebel rings um den Jeep aufstieg. Zur Abwechslung war ich mal froh über die Trockenheit. Matsch wäre jetzt richtig scheiße gewesen.
Die Straße war so breit, dass, wenn man Nerven aus Stahl hatte oder einen fremden Wagen fuhr, man zu zweit nebeneinander fahren konnte. In einem Graben von mindestens drei Metern Tiefe kreuzte ein Bach. Die Brücke bestand nur aus Brettern, die über ein paar Balken gelegt waren. Kein Geländer, kein gar nichts. Als der Jeep über die Brücke kroch, rutschten sie klappernd hin und her. Sie waren nicht festgenagelt. Lieber Gott.
Larry drückte das Gesicht gegen die getönte Scheibe und starrte nach unten. »Die Brücke ist nicht breiter als der Wagen.« »Danke, dass Sie mir das sagen, Larry. Es wäre mir gar nicht aufgefallen.« »Entschuldigung.«
Hinter der Brücke war die Straße wieder breit genug für zwei. Ich schätze, wenn sich zwei Wagen an der Brücke trafen, mussten sie sich einigen. Bestimmt gab es eine Verkehrsbestimmung, die das regelte. Das linke Fahrzeug hat Vorrang, oder so ähnlich.
Oben auf dem Hügel waren in einiger Entfernung Lichter zu sehen. Polizeilichter blitzten durch die Dunkelheit wie eine Lichtorgel. Sie waren weiter weg, als es aussah. Wir hatten noch zwei Hügel rauf- und runterzufahren, ehe die Lichter auf die nackten Baumstämme schienen und sie schwarz und unwirklich machten. Die Straße schob sich in eine weite Lichtung. Von dort hinauf erstreckte sich ein Rasen, der ein großes weißes Haus umgab. Ein richtiges Haus mit Seitenverkleidung, Fensterläden und Rundumveranda.
a war zweigeschossig und mit sauber gestutzten Sträuchern umgeben. Die Auffahrt hatte weißen Kies, was bedeutete, dass ihn jemand angeliefert hatte. Entlang der Auffahrt standen Narzissen in zwei breiten Streifen.
Ein Polizist in Uniform hielt uns am Fuß der Auffahrt an. Er war groß, hatte breite Schultern und dunkles Haar. Er leuchtete mit einer Taschenlampe in den Wagen. »Es tut mir Leid, Fräulein, aber Sie können da jetzt nicht rauffahren.«
Ich zeigte ihm meinen Ausweis und sagte: »Ich bin Anita Blake. Ich gehöre zum Regional Preternatural Investigation Team. Man hat mir gesagt, dass Sheriff St. John mich erwartet.«
Er beugte sich in das offene Fenster und leuchtete Larry an. »Wer ist das?«
Weitere Kostenlose Bücher