Anita Blake 05 - Bleich Stille
»Larry Kirkland. Er gehört zu mir.«
Er musterte Larry für ein, zwei Augenblicke. Larry lächelte, tat sein Bestes, um harmlos zu erscheinen. Das kann er fast so gut wie ich.
Während sich der Polizist zu uns herein beugte, hatte ich eine gute Aussicht auf seine Waffe. Es war ein 45er Colt. Mächtiges Ding, aber er hatte die passenden Hände dafür. Ich bekam eine Wolke von seinem Rasierwasser ab: Brut. Er hatte sich reichlich weit ins Fenster geschoben, nur um Larry in Augenschein zu nehmen. Hätte ich eine Waffe im Schoß versteckt gehabt, hätte ich auf ihn abdrücken können. Er war groß, und ich wettete, dass allein das ihn durch viele Schwierigkeiten brachte, aber das war leichtsinnig. Eine Waffe kümmert es wenig, wie groß man ist.
Er nickte und zog sich zurück. »Fahren Sie bis zum Haus. Der Sheriff erwartet Sie.« Er klang deswegen nicht gerade glücklich. »Haben Sie ein Problem?«, fragte ich.
Er lächelte, aber säuerlich. Er schüttelte den Kopf. »Das ist unser Fall. Ich meine, dass wir keine Hilfe brauchen. Auch Ihre nicht.«
»Haben Sie einen Namen?«, fragte ich. »Coltrain. Deputy Zack Coltrain.« »Gut, Deputy Coltrain, wir sehen Sie oben beim Haus.« »Das schätze ich auch, Miss Blake.«
Er dachte, ich sei Polizistin, und unterschlug absichtlich das Officer oder Detective. Ich ließ es durchgehen. Hätte ich wirklich einen Dienstgrad besessen, ich hätte darauf bestanden, aber deswegen herumzustreiten, wenn ich gar keinen hatte, war kontraproduktiv.
Ich fuhr hinauf und parkte zwischen den Einsatzwagen. Ich heftete mir meinen Ausweis ans Revers. Wir gingen die bleiche, gepflasterte Kurve entlang, und keiner hielt uns auf. Vor der Haustür standen wir in einer Stille, die beinahe unheimlich war. Ich war schon bei vielen Tatorten gewesen. Eines waren sie bestimmt nicht: still. Kein Polizeifunk, der knisterte, keine Männer, die durcheinander liefen. Der Schauplatz eines Mordes war immer voller Leute: Detectives in Zivil und in Uniform, Techniker, Leute, die Fotos und Videoaufnahmen machten, Sanitäter, die warteten, dass sie die Leiche mitnehmen durften. Wir standen auf der frisch gefegten Veranda in der kalten Luft des Frühlingsabends und hörten nur die Frösche quaken. Der helle, lang gezogene Ton traf auf komische Weise mit dem Gewirbel der Polizeilichter zusammen.
»Warten wir auf etwas?«, fragte Larry.
»Nein«, sagte ich. Ich drückte auf den glühenden Klingelknopf. Tief im Innern des Hauses erklang ein satter Gong. Irgendwo drinnen kläffte wütend ein kleiner Hund. Die Tür öffnete sich. Eine Frau stand da eingerahmt vom Licht der Halle, das das meiste von ihr in Schatten tauchte. Die Blinklichter überzogen ihr Gesicht mit Crayola-Neonfarben. Sie hatte ungefähr meine Größe und dunkle Haare mit Naturlocken oder einer sehr guten Dauerwelle. Doch sie hatte mehr damit angestellt als ich, sodass es ihr Gesicht ordentlich einrahmte. Meine Haare wirkten immer irgendwie ungebändigt. Sie trug eine Button-down-Bluse mit langen Ärmeln lose über der Jeans. Sie sah aus wie siebzehn, aber das täuschte mich nicht. Ich sah auch jung aus für mein Alter. Und Larry auch. Es konnte nicht nur daran liegen, dass man kurz geraten war, oder?
»Sie sind nicht die Staatspolizei«, sagte sie. Dessen war sie ziemlich sicher. »Ich gehöre zum Regional Preternatural Investigation Team«, sagte ich. »Anita Blake. Das ist mein Kollege Larry Kirkland.«
Larry lächelte und nickte.
Die Frau gab die Tür frei, und das Licht aus dem Flur fiel auf ihr Gesicht. Es erhöhte ihr Alter um fünf Jahre, aber um schöne fünf Jahre. Es dauerte eine Minute, bis ich merkte, dass sie ein sehr dezentes Make-up trug. »Kommen Sie bitte herein, Miss Blake. Mein Mann David ist bei der Leiche.« Sie schüttelte den Kopf. »Es ist schrecklich.«
Bevor sie die Tür schloss, spähte sie noch einmal in die bunt gefärbte Dunkelheit. »David hat ihn angewiesen, diese Lampen auszuschalten. Wir wollen nicht, dass im Umkreis von Meilen jeder weiß, was hier geschehen ist.«
»Wie heißen Sie?«, fragte ich.
Sie errötete ein wenig. »Entschuldigen Sie. Ich bin gewöhnlich nicht so zerstreut. Ich bin Beth St. John. Mein Mann ist der Sheriff. Ich habe bei den Eltern gesessen.« Sie machte eine kleine Geste zu einer Doppeltür links der Haustür.
Hinter diesen Türen kläffte der Hund wie ein Maschinengewehr aus Fell. Eine Männerstimme sagte: »Still,
Weitere Kostenlose Bücher