Anita Blake 05 - Bleich Stille
gestylt hatte.
In seinem Schoß saß der kleine schwarze Pudel. Der hatte gekläfft wie ein Maschinengewehr, rat-a-tat-tat, jip jip jip bis der Junge ihn hochnahm und festhielt. Aus der lockigen Schnauze tröpfelte noch ein leises Knurren.
»Still, Raven«, sagte der junge. Dabei tätschelte er den Hund, als ob er das Knurren belohnte. Der Hund knurrte von neuem, der junge tätschelte ihn. Ich beschloss, das zu ignorieren. Falls der Pudel durchging, würde ich wohl zurechtkommen. Ich war bewaffnet.
»Mr und Mrs Quinlan, mein Name ist Anita Blake. Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen.« »Haben Sie die Leiche schon gepfählt?«, fragte der Mann. »Nein, Mr Quinlan, der Sheriff und ich sind übereingekommen, vierundzwanzig Stunden damit zu warten.«
»Ihre unsterbliche Seele steht auf dem Spiel. Wir wollen, dass es sofort getan wird.« »Wenn Sie das morgen Abend immer noch wollen, werde ich es tun.« »Wir wollen, dass es jetzt geschieht.« Er hielt seine Frau sehr fest, drückte die Finger in ihre Schulter.
Sie schlug die Augen auf und sah ihn groß an. »Jeffrey, bitte, du tust mir weh.«
Er schluckte schwer und lockerte den Griff. »Verzeih, Sally. Es tut mir Leid.« Die Entschuldigung schien seinen Zorn ein wenig zu besänftigen. Das Gesicht wurde weicher. Er schüttelte den Kopf. »Wir müssen ihre Seele retten. Ihr Leben ist verloren, aber ihre Seele bleibt bestehen. Wenigstens die müssen wir retten.«
Es hatte eine Zeit gegeben, wo ich das auch glaubte. Bis ins Mark war ich überzeugt gewesen, dass alle Vampire böse waren. Inzwischen war ich nicht mehr so sicher. Ich kannte zu viele, die nicht so schlecht zu sein schienen. Ich konnte spüren, wenn jemand böse war, und das waren sie nicht. Ich wusste nicht, was sie waren, aber waren sie verdammt? Wenn man der katholischen Kirche glaubte, dann ja, und dann auch das Mädchen im oberen Stock. Aber ich andererseits auch, wenn man der Kirche glaubte. Ich war Episkopalin geworden, nachdem die Kirche alle Animatoren exkommuniziert hatte.
»Sind Sie katholisch, Mr Quinlan?« »Ja. Welchen Unterschied macht das?« »Ich wurde katholisch erzogen. Darum verstehe ich Ihre Überzeugung.« »Das ist keine Überzeugung, Miss Blake. Das sind Tatsachen. Ellies unsterbliche Seele schwebt in der Gefahr ewiger Verdammnis. Wir müssen ihr helfen.«
»Wissen Sie, worum Sie mich bitten?«, fragte ich. »Sie sollen sie retten.« Ich schüttelte den Kopf. Mrs Quinlan blickte mich an. Sehr forschend. Ich hätte gewettet, dass sie einen kleinen Familienstreit heraufbeschwören konnte.
»Ich werde ihr einen Pflock ins Herz treiben und ihr den Kopf abschlagen.« Ich verschwieg die Tatsache, dass ich meine Hinrichtungen meistens mit der Schrotflinte ausführte, aus kurzer Entfernung. Das war grässlich, und man brauchte einen geschlossenen Sarg, aber für mich war es einfacher und für den Vampir ein rascherer Tod.
Mrs Quinlan fing wieder an zu weinen, drückte sich gegen ihren Mann, barg das Gesicht an seiner Brust und schmierte Make-up auf sein sauberes weißes Hemd.
»Wollen Sie meine Frau aus der Fassung bringen?«
»Nein, Mr Quinlan, aber ich möchte, dass Sie alle begreifen, dass Ellie übermorgen Nacht als Vampir wieder aufsteht. Sie wird umhergehen und sprechen. Sie wird schließlich bei Ihnen sein können. Wenn ich sie pfähle, wird sie tot sein.«
»Sie ist bereits tot. Wir wollen, dass Sie Ihre Arbeit tun«, sagte er.
Mrs Quinlan wollte mich nicht ansehen. Entweder glaubte sie so tief wie der Herr des Hauses, oder sie wollte nicht gegen ihn antreten. Nicht einmal für das Weiterleben ihrer Tochter.
Ich ließ es dabei bewenden. Ich konnte sie vierundzwanzig Stunden hinhalten. Ich bezweifelte, dass Mr Quinlan seine Meinung ändern würde. Ich hoffte auf Mrs Quinlan.
»Bellt der Pudel jeden Fremden an?«
Alle drei sahen mich mit großen Augen an wie Kaninchen im Scheinwerferlicht. Der Themenwechsel kam für sie zu abrupt.
»Wofür soll das wichtig sein?«, fragte Quinlan. »Da draußen läuft ein mordender Vampir herum. Ich werde ihn fassen, aber ich brauche Ihre Hilfe. Also beantworten Sie bitte einfach meine Fragen so gut Sie können. » » Was hat der Hund damit zu tun?«
Ich seufzte und trank von meinem Kaffee. Er hatte soeben seine Tochter tot aufgefunden, ermordet, vergewaltigt, so sagte er sich jedenfalls. Die Schrecklichkeit verschaffte ihm etwas Nachsicht, aber er war
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