Anita Blake 05 - Bleich Stille
wusste, dass Sie den Vampir mit Weihwasser bespritzen können, aber nicht, dass man Hostien nach ihm werfen kann.« Ich musste lächeln. »Das sind auch keine heiligen Handgranaten. Ich brauche die Hostien für die Quinlans, damit sie sie auf die Fensterbretter und Türschwellen legen können.« »Sie glauben, er wird sie angreifen?«
»Nein, aber das Mädchen hat ihn hereingebeten, und nur sie könnte die Einladung widerrufen. Bis wir das Scheusal haben, gehe ich lieber auf Nummer sicher.«
Er zögerte, dann nickte er. »Ich gehe zur Kirche. Ich werde sehen, was sich machen lässt.« Er ging zur Tür. »Und, Sheriff?«
Er blieb stehen und drehte sich um.
»Ich will den richterlichen Beschluss in der Hand haben, bevor wir aufbrechen. Ich will mich keiner Mordanklage aussetzen.«
Er nickte irgendwie nervös, sein Kopf wackelte auf und ab wie bei diesen Hunden, die man in Autos auf der Hutablage sieht. »Sie werden ihn bekommen, Ms Blake.« Er ging und zog die Tür hinter sich zu.
Ich war allein mit dem toten Mädchen. Bleich und still la„ sie da, wurde kälter und toter. Wenn die Eltern ihren Willen bekämen, würde es dabei bleiben. Und es wäre meine Aufgabe, dafür zu sorgen. Neben dem Bett lagen Schulbücher verstreut, als hätte sie gelernt, bis er kam. Ich klappte mit
der Fußspitze einen Buchdeckel zu, behutsam, um nichts zu verändern. Mathe. Sie hatte Mathe gelernt, ehe sie sich schminkte und den schwarzen Teddy anzog. Scheiße.
12
Solange wir auf den Gerichtsbeschluss warteten, sprach ich mit der Familie. Nicht meine Lieblingsbeschäftigung, aber notwendig. Das war kein wahlloser all gewesen, und das hieß, dass sie den Vampir wahrscheinlich kannten oder ihn vor seinem Tod gekannt hatten.
Im Wohnzimmer setzten sich die Pastelltöne fort, Blau überwog. Beth St. John hatte Kaffee gekocht. Sie hatte Larry herangezogen, ein Tablett nach oben zu tragen. Ich schätze, sie wollte die Leiche nicht noch einmal sehen. Könnte nicht behaupten, dass ich ihr das übel nahm. Ich hatte schon blutigere Szenen gesehen, viel blutigere, aber jeder Todesfall hat seine eigene Bitterkeit. An Ellie Quinlan war etwas sehr Mitleiderregendes, wie sie auf ihrem bonbonrosa Laken ausgestreckt lag, und ich hatte sie nicht einmal gekannt. Beth St. John hatte sie gekannt. Das machte es hart.
Die Familie kauerte auf dem weißen Sofa. Der Mann war kräftig, nicht dick, und eckig wie ein Linebacker. Er hatte kurzes schwarzes Haar, das an den Schläfen hübsch grau wurde. Sehr distinguiert. Sein Teint war rötlich, nicht gebräunt, aber trotzdem lebhaft. Er hatte ein weißes Oberhemd an, den obersten Knopf geöffnet, aber er trug Manschettenknöpfe. Sein Gesicht war sehr gespannt, unbewegt wie eine Maske, als ob darunter etwas ganz anderes vor sich ging. Er wirkte ruhig, gefasst, aber die Anstrengung trommelte gegen seine Haut. In den dunklen Augen glitzerte Zorn.
Er hatte einen Arm um die Schultern seiner Frau gelegt. Sie lehnte sich leise weinend gegen ihn und hielt die Au gen geschlossen, als wäre dadurch etwas besser. Ihr Augen- Make-up hatte sich in langen, schillernden Streifen wie eine Ölspur über die Wangen verteilt. Sie hatte dichtes schwarzes Haar und eine komplizierte Kurzhaarfrisur, die zu steil zum Anfassen aussah. Sie trug eine langärmlige Buttondown-Bluse mit einem feinen Blumenmuster, bei dem Rosa vorherrschte. Ihre Hosen hatten den passenden Rosaton. Sie hatte nichts an den Füßen außer der dunklen Strumpfhose. Ein feines Goldkreuz und die Eheringe waren ihr einziger Schmuck.
Der Junge war nur so groß wie ich und schlank wie eine Tanne. Er hatte seinen Wachstumsschub noch nicht gehabt und darum sah er jünger aus, als er war. Er hatte diese weiche, makellose Gesichtshaut, bei der man nie einen Pickel bekam und wo das Rasieren noch in weiter Ferne war. Wenn das Mädchen siebzehn war, musste er mindestens fünfzehn, vielleicht sechzehn sein. Er wäre für zwölf durch gegangen. Ein perfektes Opfer, wenn seine Augen nicht gewesen wären und die Art, wie er sich hielt. Selbst in tiefer Trauer, wo die Tränenspuren im Gesicht gerade trockneteii, sah er selbstsicher aus, selbstbeherrscht. In seinem Blick lag eine rasche Auffassungsgabe und eine Wut, die einen Schläger in Schach halten konnte.
Er hatte das gleiche schwarze Haar wie der Vater, aber es war babyfein, vermutlich die natürliche Beschaffenheit von Mrs Quinlans Haaren, bevor sie sie zu Tode
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