Anita Blake 06 - Tanz der Toten
das blonde Prachtweib aus dem Danse Macabre, stand kurz hinter dem Durchgang. Sie trug noch ihren violetten Bodystocking. Ihre ungewöhnlichen violetten Augen starrten mich ausdruckslos und abwartend an. Mein Puls hämmerte mir im Hals. Hinter ihr standen noch andere.
»Das ist nicht möglich«, sagte Richard leise. Ich widersprach ihm nicht. Da hätte ich zu sehr überlegen müssen.
»Bring sie heraus, ma petite, damit wir sehen, wen du aus dem Sarg gerufen hast.« Er sprach erregt, mit aufkeimendem Zorn. »Was beißt dich denn?«
Er lachte, aber es klang bitter. »Ich habe meinen Leuten damit gedroht, aber du hast nichts gesagt. Du hast mir nicht gesagt, dass du wirklich Vampire wie jeden x-beliebigen Zombie rufen kannst.«
»Ich habe es erst einmal getan.« »Ach wirklich«, machte er. »Werde bloß nicht stinkig.«
»Ich werde stinkig, wann ich will«, sagte er. »Das sind meine Leute, meine Gefährten, und du lässt sie umhergehen wie Marionetten. Ich finde das höchst beunruhigend.«
»Ich auch«, sagte ich und sah zu den Vampiren hinüber. Liv, die am Abend so lebendig gewesen war, stand da wie ein gut erhaltener Zombie. Nein. Nein, sie war mit einem Zombie doch nicht zu verwechseln. Ich konnte den Unter schied spüren. Und doch stand sie da mit ihrem muskulösen Körper und wartete auf meinen nächsten Befehl. I;s standen noch andere hinter ihr. Wie viele, konnte ich nicht sehen. Zu viele jedenfalls.
»Kannst du meine Vampire zurückbetten, ma petite?« Ich hielt den Blick auf Liv gerichtet und vermied es, Jean-Claude anzusehen. »Ich weiß nicht.«
Er nahm mein Kinn, drehte meinen Kopf, bis ich ihn ansah. Er forschte in meinem Gesicht, als könnte ein Fünkchen Wahrheit durchschimmern. Ich setzte eine wütende Miene auf. Hinter Wut kann man sich immer prima verstecken.
»Was hast du mit dem vorigen Vampir gemacht, den du aus dem Schlaf geholt hast, ma petite?«
Ich rückte von ihm weg, aber er packte mich unglaublich schnell beim Arm. Zu schnell für jedes Auge. Was als Nächstes kam, passierte einfach automatisch. Er hielt meinen rechten Oberarm fest, aber ich konnte den Arm beugen und die Firestar auf ihn richten. Die Uzi in meiner linken zeigte ebenfalls auf ihn. Er konnte mir den einen Arm zerquetschen, ehe ich abdrücken konnte, aber nicht beide Arme. Aber zum ersten Mal überhaupt fand ich es schwierig, ihn über den Lauf einer Schusswaffe hinweg anzusehen. Der Gürtel seines Morgenrocks hatte sich gelockert, sodass ich ein Dreieck blasser Haut sah. Ich konnte sehen, wo sein Herz saß. Ich konnte ihm das Herz zerschießen und die Wirbelsäule durchtrennen. Und ich wollte es nicht tun. Ich wollte diesen schönen Körper nicht auf die Wand verspritzen. Verdammter Mist.
Richard kam ein wenig näher. Er fasste keinen von uns an. Er blickte nur zwischen uns hin und her. »Tut er dir etwas, Anita?« »Nein«, sagte ich. »Solltest du dann eine Waffe auf ihn richten?« »Er sollte mich nicht anfassen«, fand ich. Richards Stimme klang sehr sanft. »Er hat dich eben noch ganz anders angefasst als so, Anita.«
»Warum hilfst du ihm?« »Er hat mir geholfen. Außerdem würdest du dir nie verzeihen, wenn du ihn wegen einer dummen Kleinigkeit umbringst.«
Ich holte tief Luft und stieß sie wieder aus. Damit verschwand ein Teil meiner Anspannung. Ich senkte die Uzi. Jean-Claude ließ meinen Arm los.
Ich senkte auch die Firestar und sah Richard an. Da war etwas in seinem Blick, in diesen wölfischen Augen, das allzu menschlich war. Schmerz. Er wusste, wie viel mir Jean-Claude bedeutete. Ich konnte es ihm ansehen. Dieser eine Satz belegte, dass er mein Verhältnis zu dem Vampir begriffen hatte, vielleicht besser als ich selbst.
Ich wollte mich bei ihm entschuldigen, aber ich war nicht sicher, ob er das richtig verstehen würde. Ich war nicht einmal sicher, ob ich es selbst so recht verstand. Wenn man jemanden liebt, wirklich liebt, sollte man ihm niemals wehtun. Nie solchen Kummer in seine Augen bringen.
»Es tut mir leid, dass ich vorhin wütend auf dich war. Du willst nur das Beste für das Rudel, das weiß ich.« »Du glaubst noch immer, dass ich ein Narr bin, weil ich einen unblutigen Umsturz will«, sagte er.
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn sanft. »Kein Narr, nur naiv, schrecklich naiv.«
»Wirklich rührend, ma petite. Und ich weiß dein Eingreifen meinethalben zu schätzen, Richard, aber das hier
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