Anita Blake 06 - Tanz der Toten
schmiegte diesen Duft an mich, rollte mich darin ein. Er hatte gesagt, dass er mich liebt, und in der Nacht hatte ich ihm geglaubt. Bei Tageslicht besehen war ich nicht mehr so sicher. Wie dumm war es, auch nur halb zu glauben, dass der Vampir mich liebte? Nicht annähernd so dumm wie ihn halb zu lieben. Ich liebte schließlich Richard. Eine Nacht mit großartigem Sex änderte das nicht. Obwohl ich es gehofft hatte. Die Lust ist leicht zur Strecke gebracht, aber die Liebe nicht. Die Bestie der echten Liebe ist viel schwerer umzubringen.
Es klopfte leise an der Tür. Ich musste unter zwei rote Kissen tasten, bis ich die Firestar hatte. Ich hielt sie an meiner Seite und sagte: »Herein.«
Ein Mann betrat das Zimmer. Er war groß und muskulös, hatte den Kopf an den Seiten geschoren und das übrige Haar zu einem langen Pferdeschwanz gebunden.
Ich richtete die Pistole auf ihn und zog mir die Decke bis unters Kinn. »Ich kenne Sie nicht.«
Er riss die Augen auf, seine Stimme schwankte. »Ich bin Ernie, ich soll fragen, ob Sie frühstücken möchten.« »Nein«, sagte ich. »Und jetzt gehen Sie.«
Er nickte. Seine Augen klebten an der Pistole. In der Tür zögerte er, obwohl die Waffe auf ihn gerichtet war. Es war leicht zu erraten.
»Was hat Jean-Claude Ihnen aufgetragen?« Es war verblüffend, wie viele Leute mehr Angst vor Jean-Claude hatten als vor mir. Ich richtete den Lauf zur Decke.
»Er hat gesagt, ich soll Ihnen zur Verfügung stehen, egal was Sie wollen. Er hat gesagt, ich soll Ihnen das deutlich sagen.« »Das war deutlich. Jetzt gehen Sie.« Er zögerte trotzdem.
Mir reichte es. »Ernie, ich sitze hier nackt im Bett, und ich kenne Sie nicht. Also raus jetzt, oder ich erschieße Sie aus Prinzip.« Zur dramatischen Unterstreichung zielte ich auf ihn.
Ernie rannte und ließ die Tür offen. Großartig. Jetzt hatte ich die Wahl, nackt zur Tür zu gehen und sie zuzumachen oder die Riesenbettdecke um mich zu wickeln und zur Tür zu stolpern. Ich war für die Bettdecke. Ich saß auf dem Bettrand mit der Decke vor mir, die Kehrseite weitgehend unbedeckt und in der Hand die Pistole, als Richard in der Tür erschien.
Er trug Jeans, ein weißes T-Shirt, Jeansjacke und weiße Tennisschuhe. Die Haare standen in goldbraunen Kräuselwellen von seinem Kopf ab. Jemand hatte ihm die Krallen quer übers Gesicht gezogen und zornig rote Striemen hinterlassen, die die ganze linke Wange ziselierten. Die Verletzung sah aus, als sei sie ein paar Tage alt. Aber sie musste von voriger Nacht stammen, nachdem ich ihn zurückgelassen hatte.
In der einen Hand hielt er meinen Ledermantel, in der anderen die Browning. Er stand einfach in der Tür.
Ich saß auf dem Bett. Keiner von uns sagte ein Wort. Bei so etwas ging mir jede Raffinesse oder Subtilität ab. Was sagt man zu Freund A, wenn er einen nackt im Bett von Freund B findet? Besonders wenn Freund A sich in der besagten Nacht in ein Ungeheuer verwandelt und jemanden gefressen hat? Ich wette, darauf hat kein Knigge eine Antwort.
»Du hast mit ihm geschlafen, stimmt's?« Er redete leise, beinahe sanft, als strengte er sich ungeheuer an, nicht zu schreien.
Mein Bauch verkrampfte sich. Ich war noch nicht so weit, um diesen Streit zu führen. Ich war bewaffnet, aber nackt. Ich hätte die Pistole ohne ein Zögern für Klamotten eingetauscht.
»Ich würde ja gern sagen, es ist nicht so, wie es aussieht, aber das stimmt nicht.« Mein Scherz ging daneben.
Er kam ins Zimmer wie ein aufziehender Sturm, sein Zorn wehte knisternd vor ihm her. Seine Macht strömte über mich, dass ich schreien wollte.
»Hör auf, mich zu bestürmen.« Das brachte ihn zum Stehen, und zwar mitten im Schritt. »Wovon redest du?« »Von deiner Macht, deiner Aura, sie prasselt auf mich nieder. Hör auf.« »Wieso? Fühlt sie sich gut an? Bis du gestern Nacht in Panik ausgebrochen bist, hat sie sich gut angefühlt, nicht wahr?«
Ich stieß die Firestar unter das Kopfkissen und stand mit untergeklemmter Bettdecke auf. »Ja, hat sie, bis du dich auf mir verwandelt hast. Ich war von oben bis unten mit diesem klebrigen Zeug bekleckert.« Die Erinnerung war frisch genug, dass ich schauderte und wegguckte.
»Also hast du Jean-Claude gefickt. Ja, das ist natürlich verständlich.«
Ich sah ihn an und spürte meinen aufsteigenden Ärger. Wenn er streiten wollte, war er an der richtigen Adresse. Ich hielt die rechte Hand hoch. Sie
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