Anita Blake 06 - Tanz der Toten
einmal ansehen.« »Tu das nicht, Richard.«
Er ging vor mir in die Hocke, damit wir auf Augenhöhe waren. »Was soll ich nicht? Nicht wütend sein, dass du dich von dem Vampir hast ficken lassen?« Er kroch zu mir, bis er mit dem Gesicht dicht vor mir war. »Du hast eine Leiche gefickt, Anita. War es schön?«
Ich sah ihm aus nächster Nähe in die Augen und war gar nicht mehr verlegen. Stattdessen wurde ich langsam sauer. »Ja, war es.«
Er fuhr zurück, als hätte ich ihn geschlagen. Sein Gesicht fiel in sich zusammen, und seine Augen wanderten wild durch das Zimmer. »Ich liebe dich.« Plötzlich sah er mich an, mit großem schmerzerfüllten Blick. »Ich liebe dich.«
Ich riss die Augen auf, damit die Tränen nicht losrollten. »Ich weiß, und es tut mir leid.«
Er wandte sich kniend von mir ab, schlug mit den Händen auf den Boden, hämmerte die Fäuste dagegen, bis der weiße Teppich blutverschmiert war.
Ich stand auf. Ich beugte mich über ihn, hatte aber Angst, ihn zu berühren. »Richard, Richard, nicht, bitte nicht.« Die Tränen fielen, und ich konnte sie nicht mehr aufhalten.
Ich kniete mich neben ihn. »Du tust dir weh. Hör auf!« Ich packte seine Handgelenke, hielt seine blutenden Hände fest. Er starrte mich an, und sein Gesichtsausdruck war unverfälscht menschlich.
Ich berührte seine Wange, strich sanft über die Kratzspuren. Er neigte sich zu mir, und Tränen flossen über seine Wangen. Der Ausdruck seiner Augen hielt mich fest. Seine Lippen berührten meinen Mund ganz sacht. Ich zuckte nicht zurück, aber ich küsste ihn auch nicht wieder.
Er rückte von mir weg, so weit, dass er mir ins Gesicht sehen konnte. »Leb wohl, Anita.« Er stand auf.
Ich wollte so viel sagen, aber nichts würde etwas nützen. Nichts würde die Sache besser machen. Nichts würde auslöschen, was ich in der Nacht gesehen hatte oder wie ich mich dabei gefühlt hatte. »Richard ... ich ... es tut mir leid.«
»Mir auch.« Er ging zur Tür. Mit der Hand am Türknauf zögerte er. »Ich werde dich immer lieben.«
Ich öffnete den Mund, und kein Ton kam heraus. Es gab nichts mehr zu sagen. »Ich liebe dich, Richard, und es tut mir mehr leid, als ich sagen kann.«
Er öffnete die Tür und ging, ohne sich umzudrehen. Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, saß ich auf dem Boden in die Seidendecke geschmiegt. Ich konnte Jean-Claudes Eau de Cologne daran riechen, aber Richards Geruch war jetzt auch daran. Sein Rasierwasser haftete an dem Stoff, an meinem Mund.
Wie hatte ich ihn so gehen lassen können? Wie konnte ich ihn zurückholen? Ich blieb auf dem Boden sitzen und tat gar nichts, weil ich nicht wusste, was.
41
Ich rief Edwards Telefonservice an und hinterließ eine Nachricht. Wo ich war, konnte ich nicht bleiben. Nicht in dem zertrümmerten Schlafzimmer und mit der Erinnerung an Richards verletzten Blick. Ich musste hier raus. Ich musste Dominic anrufen und ihm sagen, dass ich nicht kommen würde. Die Triade der Macht funktionierte nicht, wenn nicht mindestens zwei von uns anwesend waren. Jean-Claude war in seinem Sarg, und Richard kam nicht mehr infrage. Ich wusste nicht, was aus unserem kleinen Triumvirat werden würde. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass Richard herumstehen und zusehen würde, wie ich Jean-Claude befummelte, wenn ich ihn nicht ebenfalls befummelte. Da konnte ich ihm keinen Vorwurf machen.
Seltsamerweise sah ich trotzdem rot, wenn ich daran dachte, dass er vielleicht mit Raina schlief. Ich hatte kein recht mehr, eifersüchtig zu sein, war es aber. Sieh mal einer an.
Ich zog mir ein paar schwarze Jeans an, eine schwarze, kurzärmlige Bluse und einen schwarzen Blazer. Ich musste heute zur Arbeit, und Bert würde einen Anfall kriegen, dass ich in Schwarz kam. Er glaubte, das würde ein falsches Bild vermitteln. Er konnte mich mal. Schwarz passte genau zu meiner Stimmung.
Die Browning im Schulterholster, die Firestar in Uncle Mike's Innenhosenholster, ein Messer an jedem Arm und ein Messer am Rücken. Ich war fertig fürs Büro.
Ich wollte Edward noch zehn Minuten Zeit geben, dann wäre ich weg. Wenn da immer noch ein Mörder lauerte, so war er mir fast willkommen.
Es klopfte an der Tür. Ich seufzte. »Wer ist da?« »Cassandra.« »Komm rein.«
Sie öffnete die Tür, sah das zertrümmerte Bett und grinste. »Ich hab ja schon von hartem Sex gehört, aber das da ist wirklich albern.«
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