Anita Blake 06 - Tanz der Toten
Sie trug ein langes weißes Kleid, das ihr bis an die Knöchel reichte, weiße Strumpfhosen und weiße Segeltuchschuhe. Sie sah sommerlich frisch aus mit ihren langen Haaren.
Ich schüttelte den Kopf. »Das war Richard.«
Ihr Lächeln verschwand. »Er hat herausgefunden, dass du mit Jean-Claude geschlafen hast?«
»Wissen etwa alle Bescheid?«, fragte ich. »Nicht alle.« Sie kam herein und machte die Tür hinter sich zu. Sie schüttelte den Kopf. »Hat er dir was getan?« »Er hat mich nicht geschlagen, falls du das meinst, aber ich fühle mich ganz schön beschissen.«
Cassandra ging zum Bett und sah es sich an. Sie fasste den Rahmen, zog mit einer Hand, richtete ihn mit der anderen gerade. Sie zog ein paar hundert Pfund Holz und Metall herum wie nichts. Sie senkte das Bett sachte auf den Teppich.
Ich zog eine Augenbraue hoch. »Das war beeindruckend.« Sie lächelte beinahe schüchtern. »Ein Vorteil am Rande, wenn man Lykanthrop ist.« »Ich erkenne den Reiz daran.«
»Das dachte ich mir«, sagte sie. Sie fing an, die Kissen und das zerrissene Laken aufzuheben. Ich machte mit. »Wir sollten wahrscheinlich erst die Matratze drauflegen«, sagte sie.
»Gut. Brauchst du Hilfe?« Sie lachte. »Ich kann sie heben, sie ist nur unhandlich.« »Klar.« Ich fasste an der anderen Seite an. Cassandra kam jedoch neben mich und hob die Matratze mit der linken Hand hoch. Ober ihr Gesicht zog ein Schatten. »Es tut mir leid.«
»Ich habe es ernst gemeint, was ich über dich und Richard gesagt habe. Ich möchte, dass er glücklich ist«, sagte ich. »Das ist sehr schmeichelhaft. Ich kann dich gut leiden, Anita. Sehr sogar. Und ich wünschte, es wäre nicht so.«
Ich hatte gerade noch Zeit, sie stirnrunzelnd anzusehen, dann kam ihre zierliche Faust aus dem Nichts, ein verwischter Fleck, der mir ins Gesicht donnerte. Ich merkte noch, wie ich rückwärts umkippte. Ich landete auf dem Boden und konnte meinen Kopf nicht vor dem Aufprall schützen. Es tat nicht weh. Ich fühlte überhaupt nichts, als sich die Dunkelheit um mich zusammenzog.
42
Langsam, wie aus dem Tiefschlaf gerissen, stieg ich aus der Dunkelheit auf. Ich wusste nicht genau, was mich geweckt hatte. Ich konnte mich nicht erinnern, eingeschlafen zu sein. Ich wollte mich herumdrehen, aber es ging nicht. Plötzlich war ich hellwach, riss die Augen auf, spannte mich an. Man hatte mich gefesselt, was bei meinen Vorlieben so ziemlich an unterster Stelle rangierte. Ein paar Sekunden lang war ich in reinster Panik. Ich bäumte mich gegen die Seile auf, mit denen ich an Händen und Füßen angebunden war. Ich wehrte mich und zerrte, bis ich bemerkte, dass die Knoten sich dadurch fester zuzogen.
Ich zwang mich, vollkommen still zu liegen. Mein Herz hämmerte mir so laut in den Ohren, dass ich nichts anderes hören konnte. Meine Hände waren oberhalb des Kopfes und in einem spitzen Winkel festgebunden, was mir die Schulterblätter zusammendrückte und bis in die Handgelenke zog. Selbst den Kopf ein bisschen anzuheben, damit ich meine Füße sehen konnte, war schmerzhaft. Meine Fußgelenke waren an den Rand eines fremden Bettes gefesselt. Ich drehte den Kopf hin und her und sah das Seil an den Handgelenken. Es war schwarz und weich, und wenn ich raten sollte, hätte ich gesagt, es sei aus Seide. Es sah ganz so aus, als hätte es irgendwo bei Jean-Claude im Schrank herumgelegen. Ich betrach2te es für den Bruchteil einer Sekunde, dann betrat die Wirklichkeit den Raum, und mein Herz setzte für einen Augenblick aus.
Gabriel kam an den Fuß des Bettes. Er trug enge schwarze Lederhosen, die wie angegossen saßen, und hohe schwarze Stiefel, die den ganzen Oberschenkel bedeckten und oben einen Riemen hatten, der das weiche Leder an Jrt und Stelle hielt. Der Oberkörper war nackt. In der linken Brustwarze trug er einen Silberring und am Rand des Bauchnabels auch. Am Ohr steckte noch mehr Silber, den ganzen Rand hoch bis zur Kurve, und blinkte, als er um das Bett herumkam. Seine langen, dicken schwarzen Haare fielen ihm ins Gesicht und um die hellgrauen Augen. Er trat hinter das Kopfende, wo ich ihn nicht sehen konnte, und kam wieder ins Bild.
Mein Herz hatte wieder angefangen zu schlagen, und zwar so heftig, dass ich noch daran ersticken würde. Sie hatten mir die Browning und Firestar, die Holster und alles abgenommen. Die Armscheiden waren weg. Ich bog den Rücken und fühlte die Messerscheide. Aber als ich
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