Anita Blake 06 - Tanz der Toten
schritt ins Licht und ich hinter ihm her.
Überall waren Lampen, sie hingen von den Dachbalken wie große, hässliche Früchte. Etwa zwanzig Leute standen im offenen Innern der Scheune herum. Zwei Kameras waren auf ein Set gerichtet, das aus zwei Wänden und einem breiten Bett bestand. Die Kameramänner hatten sich um ihr Gerät versammelt und warteten. Beim Eingang stand ein langer Tisch voll Restauranttüten und kalter Pizza. Um das Essen scharten sich ein Dutzend Leute. Sie sahen zu uns herüber, als wir hereinkamen. Eine Handvoll Menschen schauten eilig weg und zogen sich unauffällig zurück. Die Lykanthropen starrten uns mit reglosen Blicken an. Ich wusste plötzlich, wie sich eine Gazelle in der Nähe eines Löwenrudels fühlt.
Mindestens zwei Drittel in der Scheune waren Gestaltwandler. Wahrscheinlich waren nicht alle Werwölfe. Nur vom Ansehen konnte ich nicht erkennen, was für Tiere sie waren, aber dass sie Gestaltwandler waren, wusste ich. Ihre Energie sengte die Luft wie ein Blitz. Wenn die Sache schieflief, war ich selbst mit der Uzi in Schwierigkeiten. Plötzlich war ich wütend auf Richard. Wir hätten nicht allein kommen dürfen. Das war unaussprechlich leichtsinnig.
Aus der Gruppe löste sich eine Frau. Auf der Schulter trug sie einen Make-up-Kasten von industriellem Ausmaß. Sie war kurz rasiert und ließ ein sehr hübsches Gesicht frei, das keinen Tupfer Make-up an sich hatte.
Sie kam unsicher auf uns zu, als hätte sie Angst, gebissen zu werden. Um sie herum flimmerte die Luft, ein unmerkliches Schimmern war da, als wäre die Wirklichkeit nicht mehr ganz so beständig, wie sie sein sollte. Ein Lykanthrop. Welcher Geschmacksrichtung, wusste ich nicht, aber das tat eigentlich nichts zur Sache. Welcher Sorte sie auch angehörten, sie waren immer gefährlich.
»Richard«, sagte sie. Sie verließ die gaffende Schar, während ihre kleinen Hände an dem Riemen ihrer Tasche entlangfuhren. »Was machst du hier?« »Du weißt, warum ich hier bin, Heidi«, antwortete er. »Wo ist Stephen?«
»Sie werden ihm nicht wehtun«, sagte sie. »Ich meine, sein Bruder ist hier. Sein eigener Bruder würde doch nicht zulassen, dass ihm was passiert, oder?«
»Das klingt eher, als wollten Sie sich selbst überzeugen, nicht uns«, warf ich ein.
Ihr Blick huschte zu mir. »Sie müssen Anita Blake sein.« Sie warf einen Blick zu unseren Zuschauern. »Bitte, Richard, geh wieder.« Ihre Aura flimmerte stärker. Mir prickelte die Haut wie von Ameisen.
Richard streckte die Hand aus. Heidi zuckte zusammen, wich aber nicht zurück.
Richard strich ihr übers Gesicht, ohne es zu berühren. Währenddessen beruhigte sich das Flimmern wie ein stiller See. »Es ist gut, Heidi. Ich weiß, in welche Lage dich Marcus gebracht hat. Du möchtest dich einem anderen Rudel anschließen, brauchst aber seine Erlaubnis. Deswegen tust du, was er sagt, oder du sitzt fest. Was immer passiert, ich werde dir keinen Vorwurf machen.«
Die Furcht verschwand langsam. Ihre fremdartige Energie kam zur Ruhe, bis sie kaum noch zu spüren war. Man hätte sie für einen Menschen halten können.
»Sehr eindrucksvoll.« Ein Mann trat vor. Er war mindestens einsfünfundneunzig und kahl wie ein Ei. Nur seine Augenbrauen stachen dunkel über den hellen Augen ab. Sein schwarzes T-Shirt dehnte sich über den Arm- und Brustmuskeln wie eine Chitinhülle, kurz vor dem Zerreißen, um das Monster freizulassen. Seine Energie schlug mir entgegen wie sommerliche Hitze. Er hatte den großspurigen Gang eines Schlägers, und die Macht, die mir über die Haut kroch, sagte mir, er könnte sie sogar verstärken.
»Er ist neu«, bemerkte ich. »Das ist Sebastian«, sagte Richard. »Er kam zu uns, nachdem Alfred tot war.« »Er ist Marcus' neuer Vollstrecker«, flüsterte Heidi und wich zwischen den zwei Männern zurück, bis sie mit dem Rücken an den Vorhang stieß, durch den wir gekommen waren.
»Ich fordere dich heraus, Richard, ich will Freki sein.« So einfach war die Falle zugeschnappt. »Wir sind beide Alphas, Sebastian. Wir müssen uns das nicht beweisen.« »Ich will Freki sein, und dazu muss ich dich besiegen.« »Ich bin jetzt Fenrir, Sebastian. Du kannst Marcus' Freki sein, ohne gegen mich zu kämpfen.«
»Marcus sagt Nein, er verlangt, dass ich dich besiege.« Richard ging einen Schritt auf ihn zu. »Kämpfe nicht mit ihm«, sagte ich. »Auf eine Herausforderung muss ich eingehen.«
Ich
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