Anita Blake 06 - Tanz der Toten
blickte weg, dann sah er mich wieder an, und der Zorn malte seine Augen fast schwarz. »Selbstverständlich darfst du dich verteidigen.«
»Dann komme ich mit.« »Also gut, aber nur wegen Stephen.« Er sagte das nicht gern. »Ich hole meine Jacke.« Ich nahm die Mini-Uzi aus dem Koffer. Sie war verblüffend klein. Ich hätte mit einer Hand schießen können, aber für die Treffsicherheit waren zwei besser. Obwohl Treffsicherheit und Maschinenpistole sich gegenseitig ausschlossen. Man zielte ein bisschen tiefer, als man treffen wollte, und hielt drauf. Silbermuni natürlich. Ich schob mir den Riemen über die rechte Schulter. Er hatte eine kleine Klemme, die man im Rücken am Gürtel festmachen konnte. Das verhinderte, dass die Uzi herumrutschte, ließ aber genug Spielraum, dass ich die Waffe rausnehmen und schießen konnte. Die Pistole hing mir im Kreuz, was irritierend war, aber egal was ich Richard gesagt hatte, ich hatte Angst, und ich wollte mindestens zwei Waffen bei mir haben. Die Browning lag bei der Polizei. Ich hatte kein Holster für die Abgesägte, ganz zu schweigen davon, dass sie illegal war. Und die Maschinenpistole, fiel mir dabei ein? Ich durfte sie besitzen, aber vollautomatische Waffen durfte man nicht mit sich herumtragen, als Zivilist sowieso nicht. Wenn ich damit geschnappt wurde, würde ich doch noch vor Gericht landen.
Ich zog die Jacke an und drehte mich damit. Sie war unförmig genug, dass die Waffe nicht auffiel. Wunderbar. Die Firestar, die in meiner Hose steckte, war besser zu sehen.
Mein Puls ging so heftig, dass ich ihn unter der Haut spürte. Ich hatte Angst. Richard wollte vor einem Haufen Werwölfe den Beschwichtiger spielen. Gestaltwandler ließen sich nicht groß beschwichtigen, sie töten einfach. Doch ich stand in Stephens Schuld, und ich traute Richard nicht zu, ihn zu retten. Ich würde alles tun, was dazu nötig war, Richard nicht. Er würde zögern. Das würde ihn ziemlich sicher eines Tages umbringen. Und mich auch, wie ich in dieser Nacht begriff.
Auf keinen Fall durften wir ohne weitere Leute in eine von Rainas Shows reinplatzen. Auf keinen Fall. Jean
Claude hätte Rainas und Marcus' Spielchen nicht toleriert. Sie wären längst tot und wir alle vor ihnen sicher. Jean-Claude hätte ich heute Nacht im Rücken haben wollen. Er würde nicht mit der Wimper zucken. Natürlich würde er eine kleine Armee von Vampiren mitbringen und eine wahre Schlacht anzetteln. Die Scheiße würde hochgehen und wäre vorbei, ehe der Morgen anbrach. Auf Richards Art würden wir Stephen retten, mit dem Leben davonkommen, abhauen, und Raina wäre ebenfalls noch am Leben. Nichts wäre gelöst. Das war vielleicht die zivilisierte Art, aber eine schlechte Methode, um am Leben zu bleiben.
Richard wartete an der Haustür und klimperte ungeduldig mit den Schlüsseln. War ihm kaum übel zu nehmen.
» Stephen hat nicht gesagt, wo er ist. Weißt du, wo sie die Filme drehen?« »Ja,« Ich sah ihn fragend an. »Raina hat mich ein paar Mal dabei zusehen lassen. Sie dachte, ich würde meine Scheu überwinden und mitmachen.«
»Hast du aber nicht.« Das war eine Feststellung. »Natürlich nicht. Los, holen wir Stephen.« Er hielt mir die Tür auf, und ausnahmsweise sagte ich nicht, er solle das bleiben lassen.
7
Ich rechnete damit, dass Richard den Weg in die Stadt einschlagen würde, zu irgendeinem schäbigen Lagerhaus in einer miesen Gegend. Stattdessen fuhr er weiter nach Jefferson County rein. Wir preschten zwischen sanften Hügeln über die Landstraße, die vom Mondschein wie versilbert aussah. Es war Anfang Mai, und die Bäume waren schon dicht belaubt.
Der Wald reichte fast bis an die Straße heran. Ab und zu schimmerte ein Haus durch die Bäume, aber meistens waren wir allein in der Dunkelheit, und es schien, als ob die Straße in alle Ewigkeit weiterginge und noch kein Mensch seinen Fuß darauf gesetzt hätte.
»Wie lautet der Plan?«, fragte ich. Richard sah mich kurz an und dann wieder auf die Straße. »Plan?« »Ja, Plan. Wenn Raina da ist, wird sie nicht allein sein, und es wird ihr nicht gefallen, dass du Stephen mitnehmen willst.« »Raina ist das Alphaweibchen, die Lupa. Es ist mir nicht erlaubt, mit ihr zu kämpfen.« »Warum nicht?«
»Ein Alphamännchen wird Ulfric, der Wolfskönig, indem er den alten Anführer tötet, der Gewinner aber wählt sich die Lupa.« »Also musste Raina nicht um ihren Platz kämpfen?« »Um
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