Anita Blake 06 - Tanz der Toten
großer Fernsehsender ins Auge. Scheiße.
Jean-Claude konterte die Fragen wie ein Profi, lächelnd und höflich, der perfekte Vampir fürs Titelblatt. Ich neigte mich lächelnd zu ihm, stellte mich auf die Zehenspitzen und brachte die Lippen so nah an sein Ohr, dass ich es hätte lecken können, aber ich hoffte, dass den Mikrofonen entgehen würde, was ich sagen wollte. Ich war sicher, ich wirkte mädchenhaft geziert, aber Mann, nichts ist perfekt. Ich flüsterte: »Bring mich hier weg, oder ich ziehe die Pistole und schieße mir den Weg frei.«
Er lachte, und es war wie Pelz auf nackter Haut, warm und kitzlig und ein bisschen obszön. Es gab Ohs und Ahs, und ich fragte mich, ob Jean-Claudes Lachen auch vom Band so wirkte. Eine erschreckende Vorstellung.
»Oh, ma petite, du unartiges Mädchen.« Ich flüsterte: »Nenn mich nie wieder so.«
»Verzeih.« Er lächelte, winkte und eskortierte mich durch die aufdringlichen Reporter. Zwei Vampirportiers waren herausgekommen, um uns den Weg zu bahnen. Sie waren groß und muskulös und noch nicht lange tot. Sie hatten rosige Wangen und sahen fast lebendig aus. Sie hatten sich schon an jemandem gesättigt. Aber Jean-Claude andererseits auch. Es wurde immer schwieriger für mich, Steine auf die Monster zu werfen.
Die Tür wurde geöffnet, und wir schlüpften hinein. Die Stille war wundervoll. Ich fiel über ihn her. »Wie kannst du es wagen, mich in so ein Medienspektakel hineinzuziehen.«
»Du warst dadurch nicht gefährdet, ma petite.« »Ist dir mal der Gedanke gekommen, dass ich, wenn ich mich für Richard entscheide, vielleicht gar nicht will, dass alle Welt von meinen Verabredungen mit einem Vampir weiß?« Er lächelte milde. »Zum Ausgehen reicht es, aber nicht für die Öffentlichkeit?«
»Wir sind überall gewesen, vom Konzert bis zum Ballett. Ich schäme mich nicht mit dir.« »Tatsächlich?« Das Lächeln war verflogen, etwas anderes war an seine Stelle getreten, nicht Ärger, aber etwas Ähnliches. »Warum bist du dann wütend, ma petite?«
Ich machte den Mund auf und wieder zu. Die Wahrheit war, dass ich lieber nicht ganz so öffentlich gesehen werden wollte, weil ich wahrscheinlich nicht so ganz glaubte, ich könnte mich für Jean-Claude entscheiden. Er war ein Vampir, ein toter Mann. In diesem Moment wurde mir klar, wie voreingenommen ich noch war. Er war mir gut genug, dass ich mit ihm ausging. Gut genug zum Händchenhalten und vielleicht für etwas mehr. Aber es gab eine Grenze. Einen Punkt, wo ich genau wusste, dass ich nein sagen würde, weil er eine Leiche war. Wenn auch eine schöne Leiche. Ein Vampir bleibt ein Vampir. Man konnte sich nicht wirklich in einen verlieben. Mit einem Vampir konnte man keinen Sex haben. Keinesfalls. Ich hatte Jean-Claudes einzige Regel gebrochen, die für unser Arrangement galt: Ich hatte ihm nicht wirklich dieselbe Chance gegeben wie Richard. Und jetzt, bei diesem Umfang der Berichterstattung war die Fledermaus aus dem Sack. Es war mir peinlich, dass alle denken würden, ich hätte tatsächlich was mit ihm. Dass ich für einen wandelnden Toten tatsächlich etwas empfinden könnte.
Meine Wut verflog bei dem Gedanken, dass ich ein Heuchler war. Ich weiß nicht, wie viel mir anzusehen war, aber Jean-Claude legte den Kopf schräg und sagte: »Gedanken ziehen über dein Gesicht, ma petite, aber was für welche?«
Ich blickte zu ihm auf. »Ich glaube, ich muss mich bei dir entschuldigen.« Er machte große Augen. »Dann ist das ein wahrhaft historischer Moment. Wofür entschuldigst du dich?« Ich wusste nicht, wie ich es ausdrücken sollte. »Du hast recht, ich unrecht.«
Er legte die Hand an seine Brust und spielte den Erstaunten. »Du gibst zu, dass du mich wie ein peinliches Geheimnis behandelt hast, das man für sich behält. Mich von deinen echten Gefühlen ausgeschlossen hast, wogegen du mit Richard und seinem lebendigen Fleisch schmust.«
Ich blickte ihn böse an. »Es reicht. Und ob du je wieder von mir eine Entschuldigung bekommst, wirst du ja sehen.«
»Ein Tanz würde genügen«, sagte er. »Ich tanze nicht, das weißt du.« »Das ist die große Eröffnung meines Tanzclubs, ma petite. Du bist meine Begleiterin. Willst du mir wirklich diesen einen Tanz abschlagen?« So gesehen kam es mir kleinlich vor. »Einen Tanz.«
Er lächelte schalkhaft, verführerisch. Genau so musste die Schlange Eva angelächelt haben. »Ich glaube, wir werden gut miteinander
Weitere Kostenlose Bücher