Anita Blake 06 - Tanz der Toten
wäre.
Mit Jean-Claude könnte ich eine wunderbare Affäre haben, aber mit Richard konnte ich mir vorstellen, das Leben zu verbringen. War Liebe dazu genug? Würde Richard, auch wenn er doch noch zur Selbsterhaltung tötete, meine Anzahl von Tötungen akzeptieren können? Würde ich seine Bestie akzeptieren, oder würde sie mich genauso entsetzen wie ihn selbst? Jean-Claude akzeptierte mich mit allem Drum und Dran, einschließlich der Kanone. Aber ich akzeptierte ihn nicht. Dass wir beide durch dunkle Brillen in die Welt sahen, hieß noch lange nicht, dass mir das gefiel.
Ich seufzte, aber nicht vor Zufriedenheit. Wenn dies das letzte Mal sein sollte, wo ich Richard sah, hätte ich mich, auf ihn werfen und ihm einen Kuss geben sollen, den er niemals vergessen würde, aber ich konnte das nicht tun. Nicht wo ich gerade Jean-Claudes Hand hielt. Das wäre für alle grausam gewesen.
»Bis später, Richard«, sagte ich. »Sei vorsichtig«, bat er. Er klang so einsam. »Du gehst mit Louie ins Kino, ja?«, fragte ich. Er nickte. »Er wird gleich kommen.«
»Gut.« Ich öffnete den Mund, um noch etwas hinzuzufügen, ließ es aber. Es gab nichts mehr zu sagen. Ich würde mit Jean-Claude ausgehen. Das änderte sich nicht, egal, was ich noch sagen würde.
»Ich bleibe auf, bis du kommst«, sagte Richard. »Ich wünschte, du würdest das nicht tun.« »Ich weiß.«
Ich ging. Ich lief ein bisschen zu hastig auf die wartende Limousine zu. Sie war weiß. »Ach nein, wie blank und strahlend«, kommentierte ich.
»Ich dachte, schwarz sähe zu sehr nach Leichenwagen aus«, sagte Jean-Claude. Edward verließ ebenfalls das Haus. Er zog die Tür hinter sich zu. »Ich werde da sein, wenn du mich brauchst, Anita.«
Ich sah in seine Augen. »Ich weiß.« Er schenkte mir ein kurzes Lächeln. »Aber pass trotzdem höllisch auf.« Ich lächelte. »Tue ich das nicht immer?« »Nicht so gut, wie ich immer dachte«, antwortete er mit einem Blick auf den Vampir, der neben der offenen Wagntür stand. Edward verschwand in der Dunkelheit auf dem Weg zu seinem Wagen, bevor mir eine Erwiderung einfiel. Auch gut. Er hatte recht. Die Monster hatten mich doch noch gekriegt. Mich zu verführen war fast so gut wie mich umzubringen. Es legte mich genauso lahm.
14
Der Name des Clubs, »Danse Macabre«, leuchtete in roten Neonbuchstaben von fast zweifünfzig Höhe. Ein geschwungener, leicht ansteigender Schriftzug wie hingeworfen von der Hand eines Riesen. Der Club befand sich im Lagerhaus einer alten Brauerei am Fluss
ufer, das jahrelang verlassen und mit Brettern vernagelt gewesen war. Es war der letzte Schandfleck in einer Reihe schicker Restaurants, Diskotheken und Bars gewesen, von denen die meisten Vampiren gehörten. Das Hafenviertel wurde auch das Blutkarree genannt, aber nicht unbedingt wenn man höflichen Umgang mit ihnen pflegte. Aus irgendeinem Grund fühlten sie sich von dem Spitznamen genervt. Was weiß ich, warum.
Die Leute standen schon bis auf die Straße, als die Limousine von der bloßen Masse der Menge gestoppt wurde. Es war so schlimm, dass ein Streifenpolizist sich bemühte, sie zurückzudrängen und für die Autos Platz zu machen. Durch die dunkel getönten Scheiben betrachtete ich die Menschenmenge. War der Mörder auch dabei? Wartete einer dieser gut gekleideten, lächelnden Leute darauf, mich töten zu können? Ich öffnete meine Handtasche und nahm die Seecamp heraus.
Jean-Claude bemerkte die kleine Pistole. »Nervös, ma petite?« »Ja«, sagte ich.
Er sah mich von der Seite an. »Ja, du bist nervös. Warum kann dich ein menschlicher Mörder so viel mehr beunruhigen als all die übernatürlichen Wesen, denen du sonst gegenüberstehst?«
»Bei jedem anderen, der mich umbringen wollte, war es etwas Persönliches. Das Persönliche verstehe ich. Der mich jetzt umbringen will, tut es geschäftlich. Rein geschäftlich.« »Aber warum macht dir das mehr Angst? Am Ende wärst du genauso tot, unabhängig von den Beweggründen deines Mörders.«
»Vielen Dank«, sagte ich. Er berührte meine Hand, die die Waffe hielt. »Ich versuche nur, zu verstehen, ma petite, das ist alles.«
»Ich weiß nicht genau, warum es mich so beeinträchtigt. Es ist eben so«, erklärte ich. »Ich kenne gern das Gesicht meiner Feinde. Wenn einen jemand umbringt, dann wenigstens nicht des Geldes wegen.«
»Bezahlter Mord beleidigt also dein moralisches Empfinden?«, fragte er.
Weitere Kostenlose Bücher