Anita Blake 06 - Tanz der Toten
schnappe mir Reynolds und gehe wieder rüber.« An der Tür blieb er stehen. »Katie hat mir in den Ohren gelegen, dass ich Sie zum Abendessen einlade, Ihnen die Kinder vorstelle, so ein richtiger Familienabend.« Er blickte mich mit seinen braunen Augen ganz arglos durch das dunkle Brillengestell an. »Ich sollte Ihnen sagen, dass Sie Richard mitbringen sollen, aber wenn Sie jetzt mit Graf Dracula gehen, schätze, dann wird's peinlich.« Er sah mich an und fragte, ohne zu fragen.
»Ich sehe Richard noch, Sie aufdringlicher Kerl.«
Er lächelte. »Gut. Bringen Sie ihn Samstag in acht Tagen mit. Katie macht ihr berühmtes Champignonhühnchen.« »Wenn ich mit Jean-Claude zusammen wäre, würde die Einladung dann auch ihm gelten?« »Nein«, antwortete er. »Katie ist ein bisschen ängstlich. Ich glaube nicht, dass sie Graf Dracula gern kennen lernen würde.« »Er heißt Jean-Claude.«
»Ich weiß.« Er zog die Tür hinter sich zu, und Dolph und ich waren allein mit dem Toten. Der Abend wurde nicht besser.
»Nach wem suchen wir eigentlich, Anita?« Ich war wirklich erleichtert, dass Dolph zu dem Fall zurückkehrte. Für einen Abend hatte ich genug privaten Tratsch gehabt.
»Nach mehr als einem Mörder.« »Warum?«
Ich sah zu ihm auf. »Ich weiß nicht, ob es genug Menschen auf der Welt gibt, um einen Vampir am Boden festzunageln. Selbst bei Vampiren oder Gestaltwandlern als Täterkreis wäre mehr als einer nötig. Ich würde sagen, zwei Wesen mit abnormaler Kraft, um ihn festzuhalten, und ein drittes, um die Messer in den Boden zu stoßen. Vielleicht auch mehr zum Festhalten und noch jemand, um den Zauber zu errichten. Ich weiß es nicht genau, aber mindestens drei.«
»Selbst bei Vampiren?«, fragte Dolph.
Ich nickte. »Es sei denn, ein Vampir war so stark, dass er Robert in seinen Bann schlagen konnte.« Ich betrachtete die Leiche und hütete mich, den Kreis zu berühren. Ich zwang mich, genau hinzusehen, was sie mit ihm gemacht hatten. »Nein, ich glaube nicht, dass der Bann noch wirken konnte, nachdem sie ihm das erste Messer hineingestochen haben. Bei einem Menschen, ja. Einern Menschen können sie das antun, und er lächelt dabei, nicht so ein Vampir. Hat von den Nachbarn einer etwas gesehen oder gehört? Ich meine, die Spaldings lügen viel leicht, weil sie mit drinstecken, aber irgendjemand muss etwas gehört haben. Robert ist keinen stillen Tod gestorben.«
»Sie sagen Nein.« Dolph klang, als wüsste er, dass sie logen. Was Polizisten als Erstes lernen, ist, dass jeder lübt. Manche Leute, um etwas zu verheimlichen, andere nun, aus Jux und Tollerei, aber jeder log. Nehmen Sie einfach an, dass jeder was zu verbergen hat, das spart Zeit.
Ich musterte Roberts Gesicht, den halb offenen, erschlafften Mund. Er hatte in den Mundwinkeln eine leichte Rötung, Schürfspuren. »Haben Sie das an den Mundwinkeln gesehen?«
»Ja«, sagte Dolph. »Und Sie wollten das mir gegenüber nicht erwähnen?« »Sie waren eine Verdächtige.«
Ich schüttelte den Kopf. »Sie wollen sich nur nicht in die Karten sehen lassen, wie immer. Ich bin es leid, noch die puzzleteile zu suchen, wenn Sie schon ein fertiges Bild haben.«
»Was schließen Sie also aus den Schürfspuren?«, fragte er in unverfänglichem Ton.
»Sie wissen verdammt gut, was ich daraus schließe. Er ist wahrscheinlich geknebelt worden. Die Nachbarn haben vielleicht wirklich nichts gehört. Aber das sagt noch nichts darüber, wie die Mörder ins Haus gekommen sind. Wenn es Vampire gewesen sind, konnten sie die Schwelle nicht ohne Einladung überschreiten. Robert hätte keine fremden Vampire hereingebeten, also muss einer dabei gewesen sein, den er kannte, ein Mensch oder zumindest kein Vampir.«
»Könnte ein Mensch über die Schwelle treten und die Vampire hereinbitten?« »Ja«, sagte ich.
Dolph machte sich Notizen, ohne mich anzusehen. »Wir suchen also nach einer gemischten Gruppe mit wenigstens einem Vampir, wenigstens einem Nichtvampir, wenigstens einer Hexe oder einem Totenbeschwörer.«
»Das Letzte haben Sie von Reynolds«, folgerte ich. »Sind Sie anderer Meinung?«
»Nein, aber da ich der einzige Totenbeschwörer in der Stadt bin, muss derjenige von außerhalb kommen.« Im selben Moment fiel mir ein, welches auswärtige Talent gerade in der Stadt war: Dominic Dumare.
»John Burke könnte das nicht?« Ich überlegte. »John macht Voodoo, aber das hier ist
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