Anita Blake 07 - Dunkle Glut
wahrscheinlich noch schwerer fallen als mir.
Sie bekam von der netten Rot-Kreuz-Dame etwas Kaltes zu trinken. Selbst ich ließ mir Cola geben, woran man sieht, wie verdammt heiß es war, sonst hätte ich auf Kaffee bestanden.
Ich ging mit ihr zum Vorgarten eines Nachbarhauses, wo noch niemand Schaulustiges herausgekommen war. Die Vorhänge waren zugezogen, die Auffahrt leer. Alle waren zur Arbeit gefahren. Das einzige Lebenszeichen waren ein dreieckiges Rosenbeet und ein Schwarzer Schwalbenschwanz, der darüber flatterte. Ein friedlicher Anblick. Einen Moment lang fragte ich mich, ob der Schmetterling einer von Warricks Lieblingen war, aber von seinen Kräften war nichts zu spüren. Es war nur ein Schmetterling, der wie ein kleiner zarter Papierdrache über den Garten schwebte. Ich ließ mich auf dem Rasen nieder. Caroline setzte sich neben mich und strich dabei ihre hellblauen Shorts glatt, als wäre sie mehr an Röcke gewöhnt. Sie trank einen Schluck Sodawasser. Jetzt, wo sie mich für sich allein hatte, schien sie nicht zu wissen, wie sie anfangen sollte.
Es wäre vielleicht besser gegangen, wenn ich abgewartet hätte, aber meine Geduld war aufgebraucht. Sie zählte sowieso nicht zu meinen Haupttugenden. »Was wollten Sie mir sagen?«, fragte ich.
Sie stellte ihre Dose Wasser ins Gras und strich mit ihren dünnen Händen den Hosensaum glatt. Sie trug hellrosa Nagellack auf den kurzen Nägeln, der zu den rosa Streifen ihres Oberteils passte. War immer noch besser als hellblauer Nagellack.
»Kann ich Ihnen vertrauen?«, fragte sie und klang so zerbrechlich und blass, wie sie aussah.
Solche Fragen nervten mich. Ich war nicht in der Stimmung zu lügen. »Vielleicht. Das hängt davon ab, was Sie mir anvertrauen wollen.«
Caroline sah ein bisschen erschrocken aus, als hätte sie erwartet, dass ich einfach ja sage. »Das war sehr ehrlich von Ihnen. Die meisten Leute lügen, ohne darüber nachzudenken.« Wie sie das sagte, erweckte den Eindruck, als sei sie oft von Leuten belogen worden, denen sie vertraut hatte.
»Ich versuche, nicht zu lügen, Caroline, aber wenn Sie etwas wissen, das uns in diesem Fall weiterhilft, müssen Sie mir das Sagen.« Ich nahm einen Schluck aus meiner Dose und versuchte, gelassen zu erscheinen, zwang meinen Körper, locker zu bleiben, nicht zu zeigen, wie gern ich sie anschreien wollte, damit sie mir endlich erzählte, was immer sie loswerden wollte. Außer mit Folter kann man im Grunde keinen Menschen zwingen, etwas zu sagen. Caroline wollte mir ihre Geheimnisse anvertrauen. Ich musste
nur ruhig bleiben und sie gewähren lassen. Man konnte nie wissen, auf welche Weise es klappen würde, also versuchte man es zuerst mit Geduld. Unter Druck setzen konnte man sie später noch.
»Ich bin jetzt seit drei Monaten in diesem Rehabilitationszentrum für den Kontakt zu den Menschen zuständig. Der Wächter, der die jüngeren beaufsichtigte, war Giles. Er war stark und machtvoll, aber er konnte seinen Sarg nur bei völliger Dunkelheit verlassen. Vor zwei Tagen ist er dann plötzlich mitten am Tage aufgewacht. Zum ersten Mal. Der auf der Treppe muss einer der jungen Vampire sein.«
Sie sah mich mit großen Augen an. Sie beugte sich zu mir und redete noch leiser als vorher. Ich musste mich ebenfalls zur Seite beugen, um etwas zu verstehen, so weit, dass meine Haare ihre Schulter berührten.
»Die Jüngeren waren alle höchstens zwei Jahre tot. Verstehen Sie, was das heißt?« »Das heißt, sie hätten sich während der Tagesstunden nicht erheben dürfen. Das heißt, der auf der Treppe hätte zu Asche verbrennen müssen.« »Genau«, sagte sie. Sie schien erleichtert zu sein, dass sie endlich jemand verstand. »War dieses frühe Aufwachen auf Ihr Rehabilitationszentrum beschränkt?«
Sie schüttelte den Kopf und flüsterte jetzt. Wir steckten die Köpfe zusammen wie Erstklässler. Mir fielen die roten Äderchen in ihren Augen auf. Caroline hatte wegen irgendetwas schlaflose Nächte gehabt. »In allen Häusern und Kirchen wurden die Vampire plötzlich früh wach. Bei den jungen war der Hunger schlimmer als sonst.« Sie fasste sich unwillkürlich an die hässliche Bisswunde am Hals. »Sie waren nur schwer zu bändigen, selbst von ihren Wächtern.«
»Hatte jemand eine Theorie, warum das passiert?«, fragte ich. »Malcolm dachte, dass sie jemand manipulierte.« Mir fielen mehrere Kandidaten ein, die dafür in Frage kamen, aber hier waren
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