Anita Blake 07 - Dunkle Glut
Beispiel. Ich begriff mit einem spürbaren Ruck, dass es mir persönlich nichts bedeutete, wenn ich sie jetzt erschießen würde. Eine rein sachliche Angelegenheit. Du lieber Himmel. Ich steckte die Waffe weg. Ich wollte nicht so kaltblütig jemanden umbringen. Das Töten machte mir nichts aus, aber es sollte wenigstens etwas bedeuten.
Liv lehnte sich grinsend zurück, hoch erfreut, dass ich die Nutzlosigkeit meiner Absicht eingesehen hatte. Wenn sie gewusst hätte, warum ich nicht geschossen hatte, hätte sie vielleicht doch Angst vor mir bekommen, aber sie versteckte sich hinter der Macht des Wanderers. In dem Vertrauen, dass er sie gegen alles schützte. Wenn sie mich heute Abend oft genug sauer machte, würden wir die Theorie vielleicht noch testen.
Ich schüttelte den Kopf. Wenn ich den Buhmann der Vampire kennenlernen sollte, brauchte ich mehr Waffen. Im Handschuhfach lagen meine Armscheiden mit den Silbermessern. Ich hatte sie oft im Wagen bei mir, wenn ich etwas anhatte, zu dem ich sie nicht tragen konnte. Man wusste nie, wann man ein gutes Messer brauchen würde.
»Ich werde jede Waffe melden, die ich sehe«, sagte sie.
Ich hatte mir eben die Messerscheiden umgeschnallt. »Yvette und Balthasar wissen, dass ich eine Pistole habe. Ich will vorbereitet sein, nicht unauffällig.« Ich öffnete die Wagentür und stieg aus. Ich sah mich in der Dunkelheit um, ob noch mehr Gesellschaft wartete. Allerdings brachten es die ganz alten Vampire fertig, nicht aufzufallen, obwohl sie direkt vor einem standen. Manche schlagen ein Chamäleon um Längen, wenn es darum geht, mit der Umgebung zu verschmelzen. Ich hatte mal einen gekannt, der sich mit Schatten umgeben und sie dann wie einen Umhang wegschleudern konnte. Es war beeindruckend gewesen.
Liv schoss aus dem Wagen, um sich neben mich zu stellen. Sie hatte ein bisschen zu oft die Gewichte gestemmt, um bequem die Arme verschränken zu können, aber sie gab sich Mühe. Versuchte den lässigen Leibwächter hinzukriegen. Sie war einsdreiundachtzig groß und gebaut wie ein Backsteinklo im Hinterhof. Sie brauchte sich nicht groß anzustrengen, um einschüchternd zu wirken.
Jean-Claude stieg auf meiner Seite aus dem Wagen und schob sich zwischen uns. Ich war mir nicht sicher, wen er beschützte.
Er hatte Ashers langen Mantel über dem Arm. »Ich schlage vor, du trägst ihn, um die Waffen zu verdecken, ma petite.« »Ich werde das mit dem Messern sagen«, kündigte Liv an.
»Wenn sie jeder sehen kann, ist es zu provozierend«, fand Jean-Claude. »Jemand könnte sich genötigt fühlen, sie dir abzunehmen.« »Sollen sie es versuchen«, erwiderte ich. Jean-Claude reichte mir den Mantel. »Bitte, ma petite.« Ich nahm ihn. Jean-Claude sagte nicht oft Bitte.
Ich zog mir den Mantel über. Dabei fielen mir zwei Dinge auf. Erstens: es war viel zu warm darin. Zweitens: Asher war über einsachtzig groß. Der Mantel war riesig. Ich fing an, die Ärmel aufzukrempeln.
»Anita«, sagte Liv. Ich blickte auf.
Sie sah ernst aus, ansonsten verriet dieses nordische Gesicht nichts. »Sieh mir in die Augen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Was tun Sie eigentlich? Herumsitzen und Draculafilme gucken, um die Dialoge zu klauen?«
Liv machte einen aggressiven Schritt auf mich zu. Ich sah sie nur an. »Sparen Sie sich die Böser-Vampir-Nummer, Liv. Wir haben das schon versucht: Sie können mich nicht mit den Augen einwickeln.«
»Ma petite«, bat Jean-Claude, »tu, worum sie dich bittet.« »Warum?« Ich sah ihn stirnrunzelnd an. Misstrauisch? Wer? Ich?
»Wenn Liv dich mit der zusätzlichen Machtportion des Wanderers in den Bann schlagen kann, so wäre es besser, das jetzt zu erfahren, wo wir noch relativ sicher sind, als da drinnen unter schlimmeren Feinden.«
Da hatte er recht, aber es gefiel mir trotzdem nicht. Ich zuckte die Achseln. »Na schön.« Ich starrte ihr ins Gesicht, in die blauen Augen, die in der Straßenbeleuchtung ein bisschen verwaschen aussahen.
Liv drehte leicht den Kopf, so dass mehr Licht in ihre Augen fiel. Sie wirkten dadurch blauviolett. Ihre Augen waren das Beste an ihr, und ich hatte noch nie Probleme gehabt, diesem Vergissmeinnichtblick zu begegnen.
Ich konnte es noch immer. Da war nicht mal ein Zwicken.
Liv ballte die Fäuste. »Du hast es mir versprochen«, sagte sie, aber ich glaube nicht, dass sie einen von uns meinte. »Hast mir versprochen, dass ich ihren Verstand einwickeln
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