Anita Blake 07 - Dunkle Glut
Der Tod kam nicht. Ich war mir nicht sicher, ob ich doch Mitleid hatte, jedenfalls konnte ich nicht bloß dastehen und jemandem bei solchen Schmerzen zusehen.
Ich zog die Browning aus der Manteltasche und zielte auf ihren Kopf. »Ich werde das beenden.« »Das heilt wieder zu, ma petite. Das ist eine Wunde, die ihr Vampirkörper bewältigen kann, mit der Zeit.« »Warum hilft ihr neuer Meister nicht nach?«, fragte ich. »Weil er weiß, dass es auch ohne seine Hilfe geht.« »Nur keine Kraft vergeuden, wie?«
»So ähnlich.« Bei dem vielen Blut war es schwer zu sagen, aber es sah so aus, als würde die Wunde langsam zuwachsen. Nur war da noch viel aufzufüllen.
»Wir bieten unsere Kehle, das Handgelenk oder die Ellbogenbeuge als Begrüßungsgeste dar. Der Geringere bietet sein Fleisch dem Ranghöheren als Anerkennung seiner Macht. Das ist nett und höflich, aber das hier ist die Realität, ma petite. Liv hat mir ihre Kehle angeboten, und ich habe sie genommen.«
Ich starrte in ihre aufgerissenen Augen. »War ihr klar, dass diese Möglichkeit bestand?«
»Wenn nicht, dann ist sie eine Törin. Solche Gewaltanwendung wird nur gebilligt, wenn der Geringere die Autorität des anderen in Frage gestellt hat. Sie hat meine Dominanz in Frage gestellt. Das ist der Preis dafür.«
Liv drehte sich hustend auf die Seite. Ihr Atem rasselte schmerzhaft durch die Luftröhre. Alles bildete sich neu. Sie bekam wieder Luft. Als sie genug Luft bekam und sprechen konnte, sagte sie: »Fahr zur Hölle, Jean-Claude.« Dann hustete sie Blut. Lecker.
Jean-Claude hielt mir seine Hand hin. Er hatte sie abgewischt, aber an den Fingernägeln kriegt man das Blut ohne Wasser und Seife nicht weg. Ich zögerte, dann nahm ich seine Hand. Bis die Nacht rum war, würden wir noch viel mehr Blut abkriegen, das war so gut wie sicher.
Wir gingen auf den Seiteneingang zu. Hinter mir bauschte sich der Mantel. Die Uzi klopfte mir leicht gegen den Rücken. Ich hatte mir noch etwas aus dem Handschuhfach genommen. Eine lange Silberkette mit einem Kreuz. Seit ich mit Jean-Claude ging, waren meine Ketten länger geworden. Die kurzen rutschten immer im schlechtesten Moment aus der Bluse. Ich war bis an die Zähne bewaffnet und bereit, jemanden umzubringen. Edward wäre stolz auf mich.
13
Der Seiteneingang des Zirkus hat keine Klinke. Man kommt nur hinein, wenn von drinnen jemand öffnet. Sicherheitsmaßnahme. Jean-Claude klopfte, und die Tür schwang nach innen auf. Weit, einladend, vorbereitet. Unheilvoll.
Dahinter lag ein kleiner Lagerraum mit einer nackten Glühbirne, die von der Decke hing. Ein kahler Raum mit ein paar Kisten an einer Wand. Rechts führte eine Tür in den Hauptteil des Zirkus, wo die Leute Riesenrad fuhren und Zuckerwatte aßen. Links gab es noch eine kleinere Tür. Dahinter waren keine bunten Lichter und Zuckerwatte.
Die Glühbirne schwang hin und her, als hätte sie einer angestoßen. Sie machte die Schatten noch dichter, und das Licht tanzte umher, bis man kaum zwischen Hell und Dunkel unterscheiden konnte. An der linken Tür glänzte etwas. Etwas, das dort befestigt war. Ich konnte nicht erkennen, was es war, nur den trüben Schimmer.
Ich stieß die Eingangstür bis an die Wand, um mich zu vergewissern, dass keiner dahinter stand. Dann stellte ich mich mit dem Rücken davor und richtete die Browning auf den Raum.
»Halte die Glühbirne an«, sagte ich. Jean-Claude langte nach oben. Er musste sich auf die Zehenspitzen stellen. Wer immer sie ins Pendeln versetzt hatte, war über einsdreiundachtzig groß.
»Hier ist niemand, ma petite«, sagte Jean-Claude. »Was hängt da an der Tür?« Es war flach und dünn, und mein Gehirn konnte sich keinen Reim darauf machen. Jedenfalls war es mit silbernen Nägeln an die Tür genagelt.
»Mon Dieu.« Jean-Claude stieß einen langen Seufzer aus.
Ich durchquerte den Raum, die Browning beidhändig auf den Boden gerichtet. Jean-Claude hatte gesagt, hier sei niemand. Ich vertraute ihm, aber mir vertraute ich noch mehr.
Liv kam durch die Eingangstür getaumelt. Sie war vorne voller Blut, aber ihr Hals war makellos. Ich überlegte, ob der Wanderer nachgeholfen hatte, nachdem wir abgezogen waren. Sie hustete und räusperte sich heftig. Es hörte sich schmerzhaft an. »Ich wollte eure Gesichter sehen, wenn ihr den Kompromiss des Dompteurs entdeckt«, sagte sie. »Der Wanderer wollte nicht, dass er und seine Leute euch
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