Anita Blake 09 - Herrscherin der Finsternis
war es viel schlimmer. Peter lag so eng zusammengekrümmt, wie es nur ging. Seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt, die Fußgelenke an den Po gezogen. Die Hosen bauschten sich um die Knie, und die viele blasse Haut sah unglaublich verletzlich aus. Amanda hatte ihn demütigen wollen. Die Augenbinde hatte er noch um, ein leuchtend helles Band auf seinem dunklen Haar. Sein Mund war blutverkrustet die Unterlippe geschwollen, Blutergüsse zeigten sich im ganzen Gesicht.
Ich war nicht leise, ich wollte mich beeilen. Er hörte mich ans Bett kommen und redete an seinem Knebel vorbei. Ich konnte ihn verstehen.
»Bitte nicht, bitte nicht«, sagte er in einem fort und steigerte sich, bis seine Stimme überschnappte vor Angst. »Ich bin's, Peter«, sagte ich. Er schien meine Stimme nicht zu erkennen, denn er flüchte weiter.
Ich fasste ihn an der Schulter, und er schrie auf. »Ich bin's, Anita.« Ich glaube, er hörte kurz auf zu atmen, dann sagte er: »Anita?« »Ja, ich bin hier, um dich rauszuholen.«
Er fing an zu weinen, die schmalen Schultern bebten. Ich zog eines von Blades Messern, schob es vorsichtig zwischen die Handfesseln und zog die Klinge aufwärts. Sie schnitt die Kordel sauber durch. Ich versuchte, ihm die Augenbinde abzuziehen, aber sie saß zu fest.
»Ich muss sie durchschneiden, Peter. Nicht bewegen.«
Er atmete flacher und hielt still, während ich die Klinge zwischen Band und Haare schob. Es war schwierig, zu schneiden, weil der Winkel ungünstig war, aber schließlich griff die Klinge, und das Band fiel ab. Ich sah die roten Druckstellen, die sie hinterließ. Dann warf sich Peter in meine Arme und drückte sich an mich.
Ich drückte ihn auch, das Messer noch in der Hand.
Er flüsterte: »Sie hat gesagt, wenn sie wiederkommt, schneidet sie ihn ab.« Er fing nicht wieder an zu weinen. Er hielt mich nur fest. Ich strich ihm mit der freien Hand über den Rücken. Ich hätte ihn gern getröstet, doch wir waren in Eile.
Aber »sie wird dir nichts mehr tun, Peter. Das verspreche ich dir. Jetzt müssen wir hier weg.« Ich zog mich aus seinen klammernden Armen zurück, bis ich sein Gesicht sehen konnte. Ich nahm es in beide Hände, das Messer aufwärts gerichtet, und sah in seine Augen. Sie waren groß und voller Angst, aber daran konnte ich jetzt nicht viel ändern.
»Peter, wir müssen los. Ted holt Becca, und dann hauen wir ab.«
Vielleicht war es der Name seiner Schwester, jedenfalls blinzelte er und nickte. »Alles in Ordnung«, sagte er, was die beste Lüge war, die ich an diesem Abend gehört hatte.
Aber ich akzeptierte sie und sagte: »Gut.« Ich musste aufstehen, um an seine Fußfesseln heranzukommen. Durch die Umarmung sah er schon wieder nach vorn, und dabei wurde er sich seiner Nacktheit bewusst. Er fing an, an seinen Hosen zu ziehen, während ich versuchte, die Fesseln durchzuschneiden.
Ich musste das Messer wegziehen. »Wenn du nicht still hältst, werde ich dich schneiden.«
»Ich will meine Hose hochziehen«, sagte er. Ich stand am Fußende des Bettes und sagte: »Dann mach.«
»Guck weg«, sagte er. »Ich gucke gar nicht.« »Aber du guckst doch.« »Aber doch nicht so.« Es war nicht zu erklären, und darum drehte ich mich weg und sah zur Tür, solange er sich in seine Jeans kämpfte.
»Du kannst dich jetzt umdrehen.« Er hatte alles zugezogen und zugeknöpft, und das allein hatte ein wenig von dem Schrecken in seinen Augen genommen. Ich schnitt die Fesseln auf, steckte das Messer weg und half ihm auf die Beine. Er rückte von mir weg, dann taumelte er, weil seine Füße zu fest und zu lange gefesselt gewesen waren und das Gefühl noch nicht ganz zurückgekehrt war. Ich fing ihn mit einer Hand ab, sonst wäre er gefallen.
»Du musst dich eine Weile stützen lassen, bevor du richtig laufen kannst«, sagte ich.
Er ließ sich von mir zur Tür helfen, aber er mied jeden Blick. Seine erste Reaktion war die eines Kindes gewesen, das dankbar für die Rettung war und jemanden zum Festhalten brauchte. Jetzt machte sich sein wahres Alter bemerkbar. Er war verlegen. Er schämte sich über das, was passiert war und dass ich ihn nackt gesehen hatte. Er war vierzehn, in der Schwebe zwischen Kindheit und Erwachsenenalter. Und ich glaube, er kam älter aus der Zelle heraus, als er hineingegangen war.
Edward erwartete uns auf dem Flur mit Becca auf dem Arm. Sie sah blass und elend aus. Ihr Gesicht war voller blauer
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