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Anita Blake 09 - Herrscherin der Finsternis

Anita Blake 09 - Herrscherin der Finsternis

Titel: Anita Blake 09 - Herrscherin der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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gestellt, ich hätte mich für sie entschieden statt für den, der da vor mir stand.
     
    Nach allem, was ich an den Tatorten gesehen hatte, erwartete ich, dass er Bosheit verströmte, aber das tat er nicht. Ich spürte eine Energie bei ihm, als stünde ich neben einer Batterie von der Größe des Chrysler-Hochhauses. Sie vibrierte auf meiner Haut, aber sie fühlte sich neutral an, weder gut noch böse, wie eine Waffe nur so gut oder böse ist wie ihr Besitzer.
     
    Ich sah an ihm hinauf, und die Zungen bewegten sich, als wollten sie noch immer schreien. Er nahm den Helm ab und entblößte ein schmales, gut aussehendes Gesicht, das mich an Bernardo erinnerte, kein aztekischer, wie ich erwartet hätte. In den Ohren steckten Ohrstecker aus Türkisen, die zu seinen blaugrünen Augen passten. Er lächelte mich an und sah aus wie jugendlich frischer Mittzwanziger. Doch ich spürte die Last der Zeitalter in seinem Blick, als würde sich ein immenses Gewicht auf mich herabsenken, und seine Nähe machte mir das Atmen schwer.
     
    Er streckte die Hand nach meinem Gesicht aus, und ich wich erschrocken zurück. Diese Bewegung schien seinen Einfluss auf mich zu brechen. Ich konnte mich bewegen. Ich konnte atmen. Ich konnte denken. Ich war oft genug magischem Einfluss ausgesetzt gewesen, um Bescheid zu wissen. Entweder ist man ein Gott, oder man ist keiner. Er war keiner. Und es war nicht bloß mein Monotheismus, der mich das sagen ließ. Ich hatte schon die Magie von allen möglichen Monstern und übernatürlichem Getier zu spüren bekommen, und wusste, was ich vor mir hatte. Übernatürliche Kräfte machen noch keine Gott. Ich weiß nicht, was dazu nötig ist, aber die sind nicht. Dem Wesen, das auf mich herabsah fehlte jedenfalls der göttliche Funke. Wenn das auch nur irgendein Monster war, ließe sich vielleicht verhandeln.
     
    »Wer sind Sie?« Und ich war froh, dass meine Stimme selbstsicher klang, normal.
     
    »Ich bin der Gatte der Roten Frau.« Er blickte mich so geduldig an, so freundlich. Man sollte meinen, dass Engel solche Augen haben. »Rote Frau ist der aztekische Ausdruck für Blut. Was bedeutet es, dass Sie der Gatte des Blutes sind ?« »Ich bin der Leib, sie ist das Leben.« Er sagte das, als müsste das meine Frage beantworten. Tat es nicht.
     
    Etwas Nasses, Schleimiges berührte meine Hand. Ich riss sie zurück, aber die Kette ließ mich nicht weit kommen. Die belebten Därme folgten meiner Hand und schmiegten sich an wie obszöne Würmer. Ich schluckte einen Schrei hinunter, konnte aber nicht verhindern, dass sich mein Puls beschleunigte.
     
    Er lachte über mich.
     
    Es war ein sehr gewöhnliches Lachen für einen selbst ernannten Gott, dafür umso herablassender, und vielleicht war das die Art, wie Möchtegern-Götter lachten. Außerdem war das eine männliche Herablassung, die längst aus der Mode war. Das Lachen sagte: Dummes, kleines Mädchen, weißt du nicht, dass ich der große, starke Mann bin und du nichts weißt, ich dagegen alles? Aber vielleicht bin ich auch nur zu empfindlich.
     
    »Warum Därme?«, fragte ich.
     
    Das Lächeln ließ ein bisschen nach. Er wirkte betroffen. »Willst du dich über mich lustig machen?« Die Därme zogen sich zurück wie ein abgewiesener Liebhaber. War mir nur recht.
     
    »Nein. Ich wundere mich nur. Sie können offenbar jeden Körperteil beleben, abgetrennte Teile vor dem Verwesen schützen, wie zum Beispiel die Häute, die Ihre Männer tragen. Bei so großer Auswahl, warum Därme und nicht etwas anderes?« Die Leute reden gern über sich selbst. Je größer das Ego, desto lieber. Ich hoffte, dass der Gatte der Roten Frau genauso war wie alle andern, zumindest in dieser Hinsicht.
     
    »Ich trage die Wurzeln ihres Leibes, damit alle, die mich sehen, wissen, dass meine Feinde leere Hüllen sind und ich alles besitze, was sie hatten.«
     
    Wer dumm fragt. »Warum die Zungen?« »Damit den Lügen meiner Feinde nicht geglaubt wird.« »Die Augenlider?« »Ich will meinen Feinden die Augen öffnen, damit sie sie nie wieder vor der Wahrheit verschließen können.«
     
    Er antwortete so nett auf Fragen, dass ich beschloss, es weiter zu versuchen. »Wie häuten Sie die Leute ohne irgendein Werkzeug?« »Tlaloci, mein Priester, ruft die Haut von ihrem Körper.«
     
    »Wie?«, fragte ich. »Mit meiner Macht«, sagte er. »Nicht mit Tlalocis Macht?« Er sah mich unfreundlich an. »Seine Macht erlangt er von mir.« »Klar.« »Ich bin sein Gebieter. Er verdankt

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