Anita Blake 09 - Herrscherin der Finsternis
zur Seite, und das erinnerte mich an Itzpapalotl, wenn sie Stimmen lauschte, die ich nicht hören konnte. Jetzt kam mir der Gedanke, dass das vielleicht nur ein Mittel war, anderer Leute Erinnerungen abzurufen. »Ah, ich weiß jetzt, wer das ist.« Er sah mich wieder mit diesen ruhigen, sanftmütigen Augen an. »Aber ich bin kein Wahnsinniger. Ich bin ein Gott.«
Er ließ sich ablenken, als wäre es ihm wichtig, dass ich ihn für einen Gott hielt. Wenn er mich erst davon überzeugen musste, bevor er mich töten konnte, dann war ich in Sicherheit. Er konnte mich töten, aber nicht überzeugen, dass er ein Gott war.
Er runzelte die Stirn. »Du glaubst mir nicht.« Wieder klang er überrascht. Und ich merkte, dass er bei all seiner Macht jung erschien. Die Zeitalter rasten durch die Augen an seinen Armen, als könnte man durch sie bis an den Beginn der Schöpfung blicken, aber er selbst wirkte jung. Oder vielleicht war er nicht an Leute gewöhnt, die nicht vor ihm niederfielen und ihn verehrten. Wenn man in seinem ganzen Leben nichts anderes kennengelernt hat, dann konnte das ein ziemlicher Schock sein.
»Ich bin ein Gott«, wiederholte er und hatte wieder den herablassenden Ton drauf. »Wie Sie meinen. « Aber ich ließ meine Zweifel durchschimmern. Das Stirnrunzeln vertiefte sich. Und wieder fühlte ich mich an ein schmollendes Kind erinnert. Ein verzogenes, schmollendes Kind. »Du musst glauben, dass ich ein Gott bin. Ich bin der Gatte der Roten Frau. Ich bin der Leib, der gerächt wird an jenen, die mein Volk vernichtet haben.«
»Sie meinen die Konquistadoren?« »Ja.« »Es gibt nicht viele davon in New Mexico«, meinte ich. »Ihr Blut fließt noch in den Adern ihrer Kindeskinder.« »Nichts für ungut, aber diese türkisblauen Augen haben Sie nicht von einem Ureinwohner.«
Er runzelte schon wieder die Stirn, und zwischen den Augen bildete sich eine Steilfalte. Wenn er weiter mit mir redete, würde er Falten kriegen. »Ich bin ein Gott und wurde aus den Tränen meines Volkes erschaffen. Ich bin die Macht, die von den Azteken übrig ist, und ich bin das aus der Magie der Spanier geschaffene Fleisch. Wir werden sie mit ihrer eigenen Macht vernichten.«
»Ist es nicht ein bisschen spät dazu? Ungefähr fünfhundert Jahre zu spät.« »Götter messen die Zeit nicht wie die Menschen.«
Er glaubte sicher, was er sagte, aber mir schien, dass er auch rationalisierte. Er hätte den Spaniern vor fünfhundert Jahren in den Arsch getreten, wenn er dazu imstande gewesen wäre.
Vielleicht war es mir anzusehen, denn er sagte: »Ich war damals noch ein junger Gott und hatte nicht die Stärke, unsere Feinde zu besiegen, darum brachte der Quetzalcoatl mich hierher, damit ich warten konnte, bis ich für unser Ziel stark genug bin. Ich bin jetzt bereit, mein Heer anzuführen.«
»Sie sagen also, dass es fünfhundert Jahre gedauert hat, bis Sie von einem winzig kleinen zu einem großen bösen Gott wurden, so wie Suppe wirklich lange köcheln muss, bis sie echte Suppe ist?«
Er lachte. »Du denkst sehr seltsam. Ich bin traurig, dass du bald tot sein wirst. Ich würde dich zur ersten meiner Konkubinen machen und zur Mutter von Göttern, denn deine Kinder würden große Zauberer werden. Doch leider benötige ich dein Leben.«
Wir waren wieder bei meiner Opferung, und da wollte ich nicht hin. Für einen Gott hatte er ein sehr zerbrechliches Ego. Mal sehen, wie zerbrechlich. »Nichts für ungut, aber das Angebot klingt nicht sehr verlockend.«
Er lächelte mich an, während er mit den Fingern meinen Arm entlang strich. »Dass wir dein Leben nehmen, ist kein Angebot. Es ist eine Tatsache.«
Ich bedachte ihn mit meinem unschuldigsten Blick. »Ich dachte, Sie bieten mir an, Ihre Konkubine zu werden, die Mutter von Göttern? « Er runzelte mächtig die Stirn. »Das habe ich nicht angeboten.« »Oh«, sagte ich, »Verzeihung, das habe ich missverstanden.«
Er hatte die Finger noch an meinem Arm, hielt aber still, als hätte er die Berührung vergessen. »Du würdest dich weigern, in mein Bett zu kommen?« Er klang wahrhaft verblüfft. Großartig.
»Ja,« »Ist es deine Tugend, die du verteidigst?« »Nein, es ist speziell Ihr Angebot, das mich nicht reizt.«
Er hatte wirklich Schwierigkeiten mit dem Gedanken, dass ich ihn nicht attraktiv fand. Er zog die Finger kitzelnd über meinen nackten Arm. Ich lag nur da und sah ihn an. Er bekam von mir den längsten
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