Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
Lykanthropenkräfte.
»Ja, ich bin mir sicher«, sagte ich. »Warum?« »Sie schmecken nicht wie ein Gestaltwandler.«
Darüber musste sie lachen, und es war ein satter, melodischer Klang, der zugleich erbaulich und derb war. »Deine Wahl der Sinne gefällt mir. Die meisten Menschen hätten gesagt, es fühlte sich nicht so an. Fühlen ist ein so ungenaues Wort, findest du nicht?« Ich zuckte die Achseln. »Kann sein.«
»Das ist Roland. Er ist heute Nacht mein Beschützer. Wir armen Menschen müssen immer bewacht werden, falls ein übereifriger Gestaltwandler die Beherrschung verliert und über uns herfallen will.«
»Irgendwie glaube ich nicht, dass Sie ein so leichtes Opfer sind, Marianne. « Sie lachte wieder. »Oh, vielen Dank, Kind.«
Nachdem sie mich Kind nannte, rechnete ich zehn Jahre auf das geschätzte Alter drauf. Sie sah nicht so aus. Aber es war dunkel.
»Komm, Anita. Wir wollen dich zum Lupanar begleiten.< Sie streckte mir die Hand hin, als erwartete sie, ich würde mich wie ein Kind hinbringen lassen. Ich sah Jamil an und hoffte, dass jemand wusste, was los war, denn ich kannte mich nicht mehr aus.
»Es ist in Ordnung, Anita. Die Vargamor ist neutral. Bei Machtkämpfen greift sie nie ein und stellt sich auf keine Seite. Nur darum kann sie als Mensch mit dem Rudel zusammen sein.«
»Stecken wir in einem Machtkampf, von dem ich nichts weiß?«, fragte ich. »Nein«, sagte Jamil, klang aber unsicher.
Marianne erklärte es mir ungefragt. »Wenn man zwei dominante Leute von außerhalb einem Rudel vorstellt, kann es zu Kämpfen kommen, erst recht, wenn es sich um eine so machtvolle Person handelt wie Richard. Da sträuben sich bei den Jungwölfen die Nackenhaare. Dass er mit den einzigen dominanten Weibchen des Rudels geschlafen hat, macht die Sache noch schlimmer.«
»Sie meinen, es wird eine Schlammschlacht geben«. »So könnte man es nennen.« »Gut, und jetzt?«, fragte ich. »Jetzt geleiten Roland und ich dich zum Lupanar. Ihr anderen könnt vorauslaufen. Jamil, du kennst den Weg.«
»Kommt nicht in Frage«, sagte ich. »Was kommt nicht in Frage?«, fragte sie.
»Sehe ich aus wie Rotkäppchen?«, meinte ich. »Ich gehe nicht mit zwei Wildfremden allein im Wald spazieren, wenn einer ein Werwolf und der andere ... ich weiß noch immer nicht genau, was Sie sind, Marianne. Aber ich werde nicht mit Ihnen allein bleiben.«
»Na gut«, sagte sie. »Es können auch welche oder alle mit uns kommen. Ich dachte, du würdest vielleicht allein mit einem Menschen sprechen wollen, der ebenfalls mit den Wölfen verbunden ist. Offenbar habe ich mich geirrt.«
»Wir können uns morgen bei Tag unterhalten. Heute Nacht wollen wir uns noch Zeit lassen.« »Wie du willst«, sagte sie. Erneut bot sie mir die Hand. »Komm. Lass uns plaudern und wie eine große, glückliche Familie zum Lupanar ziehen.«
»Sie machen sich über mich lustig«, stellte ich fest. »Das erzeugt nicht gerade Sympathie.« »Ich mache mich über jeden ein wenig lustig«, erwiderte sie. »Das ist nicht böse gemeint.« Sie wackelte mit den Fingern. »Komm, Kind, der Mond zieht weiter, die Zeit verstreicht.«
Mit meinen fünf Leibwächtern im Rücken ging ich auf sie zu. Aber ich nahm nicht ihre Hand.
Ihr herablassendes Lächeln war deutlich zu erkennen. Anita Blake, berüchtigte Vampirjägerin, aber Angst vor einer weisen Frau aus dem Hinterland.
Ich lächelte. »Ich bin von Natur aus vorsichtig und von Berufs wegen paranoid. Sie haben mir jetzt schon zweimal in zwei Minuten die Hand geboten. Sie kommen mir nicht wie jemand vor, der irgendetwas grundlos tut. Was ist los?«
Sie stemmte die Hände in die Hüften und machte ts ts ts. »Ist sie immer so schwierig?« »Meistens«, sagte Jason.
Ich sah ihn böse an. Danach fühlte ich mich besser, selbst wenn er das in der Dunkelheit gar nicht gesehen hatte.
»Ich möchte nur deine Hand berühren und feststellen, wie machtvoll du bist, bevor wir dich noch einmal auf das Lupanar lassen. Nach deinen gestrigen Taten wollen dich einige im Rudel nicht mehr dabeihaben. Sie fürchten, du willst uns unsere Macht wegnehmen.«
»Ich kann sie anzapfen, aber nicht wegnehmen.«
»Aber die Munin greifen bereits nach dir. Ich habe gemerkt~ wie du deinen Munin gerufen hast. Er kam mit der Macht, die wir heute Nacht auf dem Lupanar beschworen haben. Er hat sie gestört, wie jemand an einem Spinnennetz zupft. Wir
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