Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
gehen. Und ich wollte, dass sie endlich ging.
Fast eine Minute lang stand sie nur da und musterte mich, dann sah ich sie im Mondlicht dunkel lächeln. »Also gut, aber beeilt euch. Die anderen werden schon ungeduldig darauf warten, Richards Lupa zu begrüßen. Du hast allgemeine Neugier geweckt.«
»Wie nett. Je eher Sie gehen, desto eher können wir anfangen.«
Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und ging durch die Bäume davon, Roland zunächst hinterher, dann übernahm er die Führung. Wir standen herum und warteten, bis ihr weißes Kleid wie ein Geist hinter Baumstämmen verschwand.
»Anfangen womit?«, fragte Jason schließlich. »Mit gar nichts« , antwortete ich. »Ich wollte nur, dass sie gehen.« »Warum?«, fragte Jamil.
»Ich möchte nicht wie ein Sack Kartoffeln getragen werden«, antwortete ich achselzuckend und machte mich langsam auf den Weg Richtung Lupanar.
Jamil kam neben mich. »Warum versuchen wir nicht einfach, was sie vorgeschlagen hat?«
Ich lief vorsichtig und achtete mehr auf meine Füße als sonst. »Weil ich außer beim Erwecken von Toten ein Amateur bin. Wir sind wahrscheinlich eher am Lupanar, wenn wir langsam gehen, als wenn ich vorher noch etwas Magisches versuche.«
Jason stimmte mir zu, worauf ich ihn zweifelnd ansah, aber ich hatte Recht. Ich war wie jemand mit einer geladenen Pistole, der nicht weiß, wie man schießt. Wenn ich noch herumfummelte, um die Sicherung zu lösen, hätten mich die Schurken schon tausendmal erschossen. Vor ungefähr zwei Monaten hatte mir ein Totenbeschwörer angeboten, mir die wahren Methoden zu zeigen, nicht dieses Dilettanten-Voodoo, das ich praktizierte. Leider war er ums Leben gekommen, bevor er sein Angebot wahrmachen konnte. Merkwürdig, wie viele Leute starben, nachdem sie mich kennen gelernt hatten. Nein, ich hatte ihn nicht getötet.
Cherry stolperte schon wieder und fiel. Plötzlich waren Zane und Nathaniel bei ihr. Sie halfen ihr auf und umarmten sie kurz. Cherry fasste die beiden um die Taille und lehnte den Kopf an Zanes Schulter, dann gingen sie weiter durch die tückische Dunkelheit. Cherry stützte sich schwer auf ihre Mitleoparden. Auf einmal herrschte eine Kameradschaft unter ihnen, die vorher nicht da gewesen war. Hatte ich das bewirkt?
Hatte es sie zusammengeschmiedet, dass sie wieder einen f Beschützer hatten? Oder waren es Richards Kräfte, die da wirkten? Ich hatte eine Menge Fragen und wusste nicht einmal, ob es jemanden gab, der sie mir beantworten konnte. Vielleicht würde Marianne mir etwas dazu sagen können. Falls ich beschloss, ihr zu trauen.
Jamil bot mir seinen Arm. Ich winkte ab. Ich wusste, dass Raina mit ihm geschlafen hatte, ich legte keinen Wert auf diese Erinnerung. »Hilf lieber Jason«, bat ich ihn.
Jamil sah mich zweifelnd an, dann bot er Jason seinen Arm, der ebenfalls ablehnte. »Wenn Anita keine Hilfe braucht, dann ich auch nicht.«
»Spiel nicht den harten Kerl«, sagte ich. »Na, du hast's nötig«, konterte Jason. »Wenn ich dir den Arm anbieten würde, würdest du ihn nehmen.«
»Wenn sich ein Vorwand bietet, um mich an dich ranzumachen, klar.« Dann überlegte er es sich anders. »Aber vielleicht nicht heute Nacht. Ich kann zwar die Munin nicht rufen, aber es liegt etwas in der Luft.« Er schauderte und rieb sich die nackten Arme. »Von allen Erinnerungen, die Raina an mich haben kann, ausgerechnet diese. Warum?«
Wir gingen langsam weiter, während wir uns unterhielten. »Die drei Dinge, die Raina am liebsten hatte, sind Sex, Gewalt und Angst verbreiten. Dich zum Werwolf zu machen befriedigte alle ihre Bedürfnisse gleichzeitig.«
Jason stolperte und fiel auf die Knie. So verharrte er einige Augenblicke. Ich wartete und fragte mich schon, ob ich ihm würde aufhelfen müssen. »Ich weiß, dass du dich immer gefragt hast, warum ich nicht bei den Pornofilmen mitgemacht habe.«
»Stimmt. Ich meine, du bist nicht gerade der schüchterne Typ.« Er schaute zu mir hoch, und selbst in der Dunkelheit sah ich das ungeheure Leid in seinen Augen. Er war zu jung für solch einen Blick. Dennoch war es da. Seine Arglosigkeit war ihm ausgetrieben worden.
»Ich werde nie vergessen, wie sie mich angesehen hat, als sie mich umbrachte.« »Sie hat dich nicht umgebracht, Jason.« »Aber beinahe. Es war ihr egal, ob ich am Leben blieb oder nicht. Völlig egal.«
Ich konnte ihm nicht widersprechen, ich hatte dieses Stück
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