Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
moderner Schuppen?« »Kaum.«
Cherry saß, die Hände im Schoß gefaltet, ganz still zwischen uns. Mir fiel auf, dass sie nicht angeschnallt war. Meine Mutter würde noch leben, wenn sie sich damals angeschnallt hätte, darum bin ich heute in dieser Frage pingelig. »Du bist nicht angeschnallt«, sagte ich.
»Ich bin auch ohne Gurt genug eingeklemmt«, erwiderte sie und sah mich an.
»Ich weiß, du könntest einen Flug durch die Windschutzscheibe überleben, aber bei einem Unfall würde quasi deine Deckung auffliegen. « »Soll ich hier den Menschen spielen?«, fragte sie.
Gute Frage. »Für die Einheimischen ja.«
Sie schnallte sich an, ohne noch etwas zu erwidern. Die Werleoparden hatten mich als ihre Nimir-Ra ins Herz geschlossen. Sie waren so froh, von jemandem beschützt zu werden, selbst wenn es nur ein Mensch war, dass sie kaum mit mir stritten. »Du hättest sagen sollen, dass wir nicht auffallen dürfen, dann hätte ich mir etwas anderes angezogen.«
»Du hast Recht; ich hätte etwas sagen sollen.« Offen gestanden fiel mir das auch gerade erst ein.
Die Straße mündete endlich in die hiesige Form von Flachland. Die Bäume standen klaustrophobisch dicht. Es gab immer noch so viel Steigung, dass man wusste, man war am Fuß eines Gebirges.
»Willst du, dass wir draußen warten?«, fragte Jamil. »Nein, ihr fallt viel zu sehr auf.« »Wie willst du zu den Hütten kommen?«, fragte er. Ich schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Mit dem Taxi?« Er sah mich an. Sein Blick war vielsagend. »In Myerton? Wohl kaum.« »Mist«, sagte ich. »Dann bring uns zuerst zu den Hütten, und ich fahre mit dem Van zurück in die Stadt.«
»Mit Jason? «, fragte Jamil.
Ich nickte. »Mit Jason.« Ich sah ihn an. »Warum sind eigentlich alle so besorgt um mich? Ich meine, ich weiß, es könnte Probleme geben, aber ihr seid mächtig vorsichtig.« Ich richtete mich gerader auf und blickte Jamil von der Seite an. Er starrte auf die Straße, als hinge sein Leben davon ab.
»Was habt ihr mir verschwiegen?«
Er betätigte den Blinker und wartete, dass ein Lieferwagen vorbeifuhr, dann bog er nach links zwischen noch mehr Bäume ab. »Es dauert länger bis zu den Hütten.« »Jamil, was ist los?«
Cherry tat ihr Bestes, um im Sitz zu verschwinden, aber wenn man Modelgröße hat und in der Mitte sitzt, ist es schwierig, sich unsichtbar zu machen. Ihre Körperhaltung sagte mir jedenfalls deutlich, dass sie ebenfalls Bescheid wusste. Dass sie beide etwas wussten, wovon ich keine Ahnung hatte.
»Cherry, sag mir, was los ist«, forderte ich. Sie seufzte und richtete sich ein wenig auf. »Wenn dir etwas passiert, wird Jean-Claude uns umbringen.« »Verstehe.« Ich runzelte die Stirn.
»Jean-Claude konnte nicht selbst mitkommen«, sagte Jamil. »Das wäre als kriegerischer Akt angesehen worden. Aber er macht sich Sorgen um dich. Er hat gesagt, wenn wir dich drauf gehen lassen und er deinen Tod überlebt, bringt er uns um, uns alle.« Er schaute auf die Straße, während er das erzählte, und bog schließlich in einen Schotterweg ein, der so schmal war, dass wir rechts und links die Büsche streiften.
»Was heißt alle?«, fragte ich. »Uns alle«, wiederholte Jamil. »Wir sind deine Leibwächter. « »Ich dachte, du wärst Richards Leibwächter«, sagte ich. »Und du bist seine Lupa.«
»Ein echter Leibwächter bewacht niemals zwei Leute gleichzeitig. Man kann immer nur einen zur selben Zeit bewachen.« »Wieso?«, fragte Cherry.
Ich sah Jamil an. Er antwortete nicht, also tat ich es. »Weil du nicht die Kugeln für beide abfangen kannst, und das ist es nun mal, was ein Leibwächter macht.« Jamil nickte. »Ja, so ist es.«
»Glaubst du wirklich, dass jemand auf Anita schießen wird?«
»Die Kugel war nur eine Metapher«, sagte Jamil. »Aber es bleibt sich gleich. Kugel, Messer, Krallen, was auch immer, ich fange es ab.« Er bog in eine weite Lichtung mit einem Wendehammer ein. Über die Lichtung verteilten sich kleine weiße Hüttenwürfel, als hätte man ein Motel in seine Einzelteile zerlegt. An einem blassen Neonschild stand »Vollmondhütten«.
»Anita ist unsere Nimir-Ra. Sie sollte eigentlich uns beschützen, nicht umgekehrt.«
Da musste ich ihr Recht geben. Ich hatte Zane und Cherry nicht wegen ihrer Leibwächterfähigkeiten ausgesucht, sondern weil es ihnen nichts ausmachte, den Vampiren von ihrem Blut abzugeben. Selbst unter den
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