Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
allein. Was wahrscheinlich ganz gut so war. »Ich wusste nicht, dass du hier bist, Jamil«, sagte ich.
»Ich bin Richards Leibwächter. Wo sollte ich sonst sein?« Da hatte er Recht. »Wo bist du dann gewesen, als sein Körper angeblich diese Frau angegriffen hat?« »Sie heißt Betty Schaffer.« »Hast du mit ihr gesprochen?«
Er riss ablehnend die Augen auf. »Nachdem sie bei einem netten, anständigen weißen jungen >Vergewaltigung< geschrien hat? Ganz bestimmt nicht.« »Du könntest es versuchen und dich ein bisschen unters Volk mischen.«
»Ich bin hier im Umkreis von fünfzig Meilen einer von zwei Schwarzen« , sagte er. »Da ist in dieser Hinsicht ganz und gar nichts drin, Anita, tut mir leid.« Das sagte er mit einem ärgerlichen Unterton. Ich überlegte, ob er vielleicht schon Ärger mit den Einheimischen gehabt hatte. Wahrscheinlich. Er war nicht bloß ein Afroamerikaner. Er war groß, gut aussehend und athletisch. Allein das gab ihn bei den Rednecks schon zum Abschuss frei. Seine Frisur und sein halbseidener Modegeschmack warfen die Frage auf, ob er die letzte Bastion männlicher Homophobie knacken könnte. Ich wusste, dass Jamil Frauen mochte, aber ich hätte jederzeit gewettet, dass nicht alle Einheimischen das glaubten.
»Ich schätze, das ist der andere Afroamerikaner hier.« Ich vermied es, direkt auf Milo zu zeigen. Er beobachtete uns mit unbewegter Miene, aber viel zu genau. Ein Schläger erkennt seinesgleichen sofort, und wahrscheinlich machte er sich ebenso Gedanken über Jamil wie wir über ihn. Was tat ein professioneller Schläger hier draußen in der Pampa? Jamil nickte. »Ja, das ist der Knabe.« »Der mischt sich auch nicht unters Volk«, stellte ich fest. »Wer ist das?«
»Er heißt Milo Hart. Er arbeitet für einen gewissen Frank Niley, der heute hier eintreffen soll.«
»Du hast dich zu ihm gesetzt und ein bisschen geplaudert?« »Nein, aber Ed hält immer gern ein Schwätzchen.« »Wieso braucht Frank Niley einen Leibwächter?« »Er ist reich«, antwortete Jamil, als würde das alles erklären, ~ aber vielleicht tat es das ja. »Er ist hier wegen einiger Grundstücksgeschäfte. «
» Das hat dir alles der Flugzeugmechaniker erzählt?« Jamil nickte. »Er unterhält sich gern. Sogar mit mir.« »Mann, und ich dachte, du hättest nur ein hübsches Gesicht.« Jamil lächelte. »Ich tue meine Arbeit, wenn Richard mich lässt.«
»Was meinst du damit?« »Ich meine, wenn ich auf ihn aufpassen dürfte, wie es sich für einen guten Sköll gehört, wäre es gar nicht zu dieser Vergewaltigungsklage gekommen. Dann wäre ich jetzt ein Zeuge, und es stünde nicht ihr Wort gegen seins.«
»Vielleicht sollte ich mit Ms Schaffer sprechen«, sagte ich. »Du kannst Gedanken lesen, Schätzchen.« »Weißt du, Jamil, du bist weit und breit der Einzige, der mich so nennt. Das hat seinen Grund.«
Sein Lächeln wurde breiter. »Das werde ich mir merken.« »Was ist mit Richard passiert, Jamil?« »Du meinst, ob er es getan hat oder nicht?« Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß, dass er es nicht getan hat.«
»Er ist mit ihr ausgegangen«, sagte Jamil. Ich sah ihn an. »Was sagst du da?« »Richard wollte einen Ersatz für dich finden.« »Und?« »Und darum hat er sich mit allem verabredet, das sich bewegt.« »Nur verabredet?«, fragte ich.
Jamil ließ das Jackett von der Schulter über den Arm gleiten und strich den Stoff glatt, ohne mich anzusehen. »Antworte mir, Jamil.« Er sah mich schief lächelnd an und seufzte. »Nein, nicht nur.« Ich musste es fragen: »Er steigt von einem Bett ins andere?« Jamil nickte.
Ich stand da und dachte ein, zwei Sekunden lang nach. Richard und ich waren nie miteinander ins Bett gegangen, aus verschiedenen Gründen. Mein Lebenswandel hatte sich inzwischen geändert. Hatte ich wirklich erwartet, er würde keusch bleiben? Ging es mich noch etwas an, was er tat? Nein, ganz bestimmt nicht.
Schließlich zuckte ich die Achseln. »Ich bin nicht mehr mit ihm zusammen, Jamil, und er ist schon ein großer Junge.« Wieder zuckte ich die Achseln, aber hauptsächlich weil ich nicht so recht wusste, was ich davon halten sollte. Ich gab mir alle Mühe, nichts dabei zu empfinden, denn meine Gefühle spielten gar keine Rolle. Richard lebte sein eigenes Leben, und ich gehörte nicht mehr dazu. Jedenfalls nicht auf diese Art und Weise. »Ich bin nicht hier, um sein Sexualleben zu kontrollieren.« Jamil nickte. »Gut.
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