Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
täte, wäre alles vorbei. Dann könnten sie mich in die Zwangsjacke stecken und wegschließen. Mir schoss immer wieder durch den Kopf, wie das Beil in den Küchenboden schnitt und wie ich dachte, dass bei dem Knochen kein Widerstand zu spüren gewesen war. Ich fühlte nur, wie die Klinge im Boden stecken blieb, sah die Finger in der Blutlache liegen, die aber nicht so groß war, wie man vielleicht meinen würde.
»Anita, Anita, die Abzweigung.«
Ich riss die Augen auf und stieg auf die Bremse, was alle nach vorn schleuderte. Ich war als Einzige angeschnallt. Normalerweise erinnere ich alle daran, sich anzuschnallen. Ich hatte nicht darauf geachtet.
Jason klaubte sich vom Armaturenbrett, ließ sich zurück in den Sitz fallen und fragte: »Alles in Ordnung mit dir?« Ich setzte den Van langsam zurück. »Ja.« »Lügnerin«, sagte er.
Ich fuhr vorsichtig rückwärts, bis ich das weiße Schild sehen konnte, auf dem »Haus Grüntal« stand. Man würde kein Haus mit solchem Namen am Ende einer Schotterstraße erwarten, aber bitte sehr. Nur weil die Straße nicht asphaltiert ist, braucht man nicht zu glauben, die Leute hätten keinen Stil. Nur ist der manchmal schwer erkennbar.
Die Schottersteinchen spritzten gegen die Unterseite des Wagens, obwohl ich höchstens dreißig fuhr. Ich bremste noch weiter runter. Roxanne kannte das Haus. Sie war mit dem Sohn der Greenes aufgewachsen. Sie waren die besten Freunde gewesen, bis die Hormone ins Spiel kamen und er zudringlich wurde. Aber sie kannte das Haus. Auf halber Strecke gab es eine Lichtung, wo wir den Wagen parken konnten. Die Lichtung kam wie angekündigt. Ich lenkte den Van ins Unkraut, es streifte das Blech, peitschte gegen die Räder. Zwischen den Bäumen war der schwarze Wagen praktisch unsichtbar. Außerdem stand er eingezwängt, was bedeutete, dass wir nicht schnell damit würden abhauen können. Allerdings hatte ich das auch nicht vor. Mein Plan war, Daniel und Charlotte so unbeschadet wie möglich rauszuholen. Mehr plante ich nicht. Das machte die Dinge einfacher. Wir würden die Geiseln in Sicherheit bringen, dann die anderen umbringen. Ganz einfach.
Teils hoffte ich, dass Richard rechtzeitig für den Angriff hier sein würde. Teils nicht. Erstens wusste ich nicht, wie er die Nachricht über seine Verwandten aufnehmen würde. Zweitens war ich mir nicht sicher, was er von meinem Jagdplan halten würde. Und ich wollte gar nicht erst argumentieren. Ich hatte einen Preis bezahlt, um hierher zu gelangen. Wir würden nach meinem Plan vorgehen.
Jemand fasste meinen Arm. Ich erschrak so heftig, dass es mir kurz die Sprache verschlug. Das Herz saß mir in der Kehle und drückte mir die Luft ab. »Anita, ich bin's, Jason. Ist alles in Ordnung?«
Die Beifahrertür stand offen, und Patrick war nicht zu sehen.
Ich hörte an meiner Seite jemanden kommen. Es war Nathaniel. Er klopfte leise ans Fenster. Ich drehte es herunter. »Alle anderen sind ausgestiegen«, sagte er. Ich nickte.
»Gib uns ein paar Minuten«, sagte Jason. Nathaniel ging ohne ein weiteres Wort vom Wagen weg. Er konnte gut Befehle befolgen. »Rede mit mir, Anita.« »Es gibt nichts zu reden.«
»Du starrst seit einer Weile ins Leere. Du bist ganz abwesend. Wir brauchen dich, damit die Sache klappt. Daniel und Mrs Zeeman brauchen dich.«
Mein Kopf drehte sich langsam wie aus eigenem Antrieb zu Jason herum. Ich sah ihn finster an. »Ich habe schon mein Möglichstes für sie getan. Ich habe sogar mehr als mein Möglichstes für sie getan.«
»Es ist erst vorbei, wenn sie in Sicherheit sind.«
»Ich weiß. Glaubst du, ich weiß das nicht? Wenn ich sie nicht lebend da raushole, dann ist alles, was ich getan habe, umsonst gewesen.«
»Und was glaubst du, was du getan hast?«, fragte er. Ich schüttelte den Kopf. »Du hast es gesehen.« »Ich habe ihn dabei festgehalten.« »Das tut mir leid.«
Jason nahm mich bei den Schultern und schüttelte mich sacht. »Verdammt, Anita, reiß dich zusammen. Das sieht dir nicht ähnlich, sich im Entsetzen zu suhlen. Du bist ein guter Soldat. Du tötest und machst weiter, wie es erwartet wird.«
Ich drückte ihn weg. »Ich habe einen Mann gefoltert, Jason. Ich habe ihn erniedrigt zu etwas, das vor Angst und Schmerzen wimmert und sich am Boden windet. Und ich wollte das tun, wollte ihn leiden lassen, weil er Charlotte und Daniel das angetan hat. Ich wollte es.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich werde
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