Anita Blake 12 - Nacht der Schatten
verbarrikadiert hatten. Wir mussten Licht anmachen. Meine sonnige Küche hatte sich in eine Höhle verwandelt.
Eine Stunde später lag ein ordentlicher Grundriss der Clubräume vor uns auf dem Tisch. Bacchus kannte den Wachplan von Narcissus' Leuten, aber nicht von Chimeras Handlangern. Er klaubte zusammen, was er wusste. »Chimera ändert ständig den Ablauf, manchmal täglich, meistens alle drei Tage. Einmal gab er sogar stündlich neue Anweisungen. Das war selbst für seine Verhältnisse irre.«
»Wie instabil ist der Kerl ?«, fragte Bobby Lee.
Bacchus dachte tatsächlich ein, zwei Sekunden lang darüber nach. Ich hatte das für eine rhetorische Frage gehalten, aber vielleicht lag ich falsch. »Manchmal kommt er einem normal vor. Manchmal ist er so irre, dass inan Angst kriegt. Ich glaube, seinen eigenen Leuten geht es nicht anders.« Er runzelte die Stirn. »Ich hab sie Jedenfalls so was sagen hören.«
Es klingelte an der Tür. Ich erschrak. Nathaniel sprang von der Küchenzeile, auf der er gesessen hatte. »Ich gehe schon.« »Sieh zuerst nach, wer es ist«, sagte ich.
Er warf mir über die Schulter einen Blick zu, der deutlich sagte, dass er auch ohne mich auf diese Idee gekommen wäre. Nachdem er monatelang Tisch und Bett mit mir geteilt hatte, wusste er, was zu tun war.
»Früher hast du einfach aufgemacht«, sagte ich. »Jetzt nicht mehr«, erwiderte er und verschwand ins Wohnzimmer.
Im nächsten Moment kam er zurück. »Es ist der Werwolf aus dem Narcissus, dieser Zeke.« Nathaniel war ein wenig blass geworden.
Bobby Lee und ich hatten jeder die Waffe in der Hand. Wie meine dahin gekommen war, wusste ich nicht. Ich sah an den vernagelten Fenstern entlang. Die Bretter gaben ein bisschen mehr Schutz als Glas, dafür konnten wir aber nicht nach draußen sehen. Die bösen Jungs konnten sich umso besser anschleichen. « Ist er allein?«, fragte ich.
»Außer ihm steht keiner auf der Veranda«, sagte Nathaniel, »aber das heißt nicht, dass er allein ist.« Seine Augen waren eine Spur zu groß. »Ich wittere weder Schlangen noch Löwen. «
Ich sah seine Halsschlagader pochen. »Alles wird gut, Nathaniel«, sagte ich.
Er nickte, aber seinem Gesichtsausdruck nach war er nicht überzeugt. Gil kam zu uns in die Küche. » Was ist los?« »Böser Besuch«, sagte ich.
»Schon wieder?« Er klang wehleidig. »Ohne uns wären Sie sicherer gewesen, Gil«, meinte ich. Er nickte. »Das scheint mir allmählich auch so.« Seine Augen waren so weit aufgerissen, dass es eigentlich wehtun musste.
Ich hatte die Mini-Uzi mit ins Haus genommen und aus dem Waffensafe im ersten Stock nachgeladen. Ich nahm sie von der Arbeitsplatte und versuchte mich zwischen ihr und der Browning zu entscheiden. Es klingelte erneut. Diesmal schreckte ich nicht zusammen. Ich hängte mir die Uzi am Riemen um die Schulter und nahm die Browning, die bequemer in der Hand lag. Die Uzi war wirklich etwas für Notfälle. Dass ich ernsthaft daran gedacht hatte, damit zur Tür zu gehen, war wirklich ein schlechtes Zeichen. Wenn ich an meiner Haustür mehr als 9mm brauchte, sollte ich verreisen.
Ich spähte ins Wohnzimmer, aber da war nichts zu sehen außer der geschlossenen Haustür. Ich würde durchs Seitenfenster schauen müssen, wenn ich wissen wollte, wer auf der Veranda wartete. Mit der Browning im Anschlag näherte ich mich der Tür und hielt mich dicht an der Wand für den Fall, dass einer auf die Tür feuerte. Klar, beim vorigen Mal hatten sie auch durch die Fenster geschossen, aber diesmal waren die Vorhänge zugezogen, und sicherer konnte ich nicht zur Tür gelangen.
Am Fenster ging ich auf die Knie, denn die meisten Leute zielen auf die Brust oder den Kopf, und ich bin auf Knien nur halb so hoch wie andere. Vorsichtig öffnete ich den Vorhangspalt, und etwas schlug gegen die Scheibe. Ich fuhr erschrocken zurück und hob die Waffe, aber nichts passierte. Ganz kurz hatte ich sehen können, was es war, und es war keine Waffe. Ich meinte, dass es ein Foto war. Ich zog den Vorhang beiseite und starrte auf ein Polaroid, auf dem ein Mann an eine Wand gekettet war. Er war nackt und blutüberströmt, sodass es schwierig war, ihn zu erkennen. Dann dämmerte es mir, und ich begriff, dass es Micah war. Ich landete plötzlich auf meinem Hintern, als hätte mich jemand geschubst, eine Hand noch am Vorhang.
Die Browning war nicht, wo sie sein sollte, sondern schwebte halb vergessen in
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