Anita Blake 12 - Nacht der Schatten
Meinung?«, fragte ich Igor. »Ich widerspreche nie einer Dame, besonders nicht, wenn sie mich beim Armdrücken schlagen kann.«
An Igors Logik war nichts auszusetzen, aber das bedeutete, ich hatte mir zwei große, muskulöse Schatten eingehandelt, und das ärgerte mich. Allerdings war den beiden völlig egal, ob ich damit glücklich war oder nicht. Sie befolgten Rafaels Befehle, und meine Wünsche zählten nicht.
So standen Richard und seine Leibwächter und ich mit meinen auf der Terrasse vor Stephen, der sich für den bevorstehenden Gestaltwechsel ausgezogen hatte. Wer seine Klamotten dabei anbehielt, ruinierte sie. Als Gestaltwandler war man entweder Dauerkunde im Second-Hand-Laden und trug das alte Zeug in der Vollmondnacht oder man ging nackt.
Wir standen da in der Sphäre von Richards Kräften. Sie luden sich um uns auf, als zuckten unsichtbare Blitze. Es knisterte buchstäblich und richtete uns die Härchen an den Armen und dann sogar am Kopf auf.
»Richard ...«, sagte Jamil und verstummte auf einen Blick von ihm. Die Macht schwoll noch um eine Stufe an und umschloss uns wie eine Riesenhand.
»Was ist los, Richard? Was soll die Kraftdemonstration?«, fragte ich.
Er drehte sich zu mir, und angesichts seines Zorns wäre ich am liebsten zurückgewichen, tat es aber nicht. Ich hielt meine Position, aber nur mit Mühe.
»Willst du deine Katze retten?«, fragte er genauso zornig, wie er aussah, und dabei knisterte es.
»Ja«, sagte ich kleinlaut. »Dann sieh mir zu.«
Er spreizte vor Stephen die Hände, hielt sie zwanzig Zentimeter von dessen Schultern entfernt. Die Energie wurde dichter und dichter, bis ich schlucken musste, um die Ohren freizubekommen. Es war wie im Flugzeug, nur dass das Schlucken nichts nützte. Es war kein Druckproblem.
Richard bewegte die Finger, als ob er sich in etwas hinein wühlte. Stephen taumelte einen Schritt auf Richard zu, und ich hörte ihn einen kleinen Schmerzlaut von sich geben. Richard ballte die Fäuste, und zwischen ihnen schimmerte etwas wie Hitze. Unter der anschwellenden Macht taten mir die Knochen weh. Die Luft war fast zu dick zum Atmen und lastete auf mir.
Richard machte eine abrupte Bewegung mit den Händen und die Spannung löste sich, als würde ein Sturm losbrechen. Einen Moment lang glaubte ich, die dicken, klaren Tropfen seien Regen, doch sie waren warm wie Blut und fielen nicht vom Himmel. Sie spritzten aus Stephens Körper. Ich hatte schon Dutzende Gestaltwandel mit angesehen, aber so einen noch nie. Es war, als ob Stephens Körper in einem Regen heißer Tropfen und Hautfetzen zerplatzte. Normalerweise drängte das Tier aus dem menschlichen Leib hervor wie ein Schmetterling aus der Puppe, aber diesmal nicht. Die menschliche Hülle zog sich in den Körper zurück, und plötzlich stand da eine auf rechte Wolfsgestalt. Stephen brach keuchend und zitternd in die Knie.
Ich hielt den Atem an, vollgespritzt mit den rasch abkühlenden Fetzen von Stephens alter Haut. Als mir wieder einfiel Luft zu holen, keuchte ich: »Du lieber Himmel.«
Stephens Fell war dunkel und goldbraun. Er kauerte zitternd vor Richards Füßen. Der Gestaltwechsel mochte schmerzhaft sein, aber wenn der Betreffende ihn hinter sich hatte, stand er auf und bewegte sich ganz normal. Stephen wirkte desorientiert und als hätte er noch Schmerzen. Was war los?
Er kroch zu Richard und legte die lange Schnauze auf dessen Joggingschuhe, krümmte sich zusammen wie ein Fötus und zog die muskulösen Arme an sein goldbraunes Fell. Das war extrem submissives Verhalten, und ich kannte den Grund dafür nicht. Stephen hatte nichts falsch gemacht.
Ich sah Richard an. Sein weißes Hemd klebte von fremder Körperflüssigkeit. Er begegnete meinem Blick, und das schwache Licht der Sterne schimmerte in seinem nassen Gesicht. Etwas Glitschiges rutschte an seiner Wange hinab. Sein Blick war herausfordernd, als erwartete er einen meiner Wutausbrüche.
Ich hob zitternd die Hand und wischte mir das Gröbste aus dem Gesicht, schüttelte es ab, sodass es klatschend am Boden landete. Ich sah die Leibwächter an. Sie waren auch bespritzt, aber nicht so voll wie Richard und ich. Sie hatten etwas mehr Abstand gehalten. Alle starrten Richard an, mit entsetztem, ärgerlichem Staunen, und das sagte mir, dass etwas ziemlich schiefgelaufen war.
Ich musste zweimal ansetzen, ehe ich ein Wort hervorbringen konnte, und meine Stimme klang zittrig. »Ich
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