Ankunft
seine sich immer stärker ausprägende Neigung, gedanklich abzuschweifen, riß Paul sich mit einem Ruck in die Gegenwart zurück und hörte sich an, was Red zu sagen hatte.
»Die meisten Pferde sind vom Stehen auf feuchter
Unterlage mit Strahlfäule infiziert, aber aus Mangel an geeignetem Material können wir den Bodenbelag nicht auswechseln. Außerdem müssen die Tiere regelmäßig bewegt werden, was bei den jetzigen beengten Platz—verhältnissen nicht möglich ist. Die Höhlen, die ich entdeckt habe, besitzen von Natur aus einen sandigen Untergrund. Allein deshalb sind sie leicht sauber zu halten.
135
Zudem sind sie groß genug, um die Pferde drinnen zu trainieren, wann immer ein Fädenschauer uns festhält.«
»Aber …« setzte Paul von neuem an; seit Red
wortreich seine Gründe aufzählte, die es ratsam
erscheinen ließen, aus Burg Fort auszuziehen, hatte er noch keinen einzigen Satz vollenden können.
»Ich habe mich mit Sean besprochen. Wir werden
ihm und dem Weyr nicht zur Last fallen. Bis jetzt ist über dem Ort, wo ich mich neu ansiedeln möchte, noch kein direkter Fädenfall niedergegangen«, behauptete Red und lächelte, was sein hageres Gesicht gleich weicher aussehen ließ. »Und …« – als Paul den Mund öffnete, drohte er ihm mit erhobenem Zeigefinger – »Cobber und Ozzie haben das durch Echolot kartierte Tunnelsystem mit Hilfe von Windblütes häßlichen, kleinen, lichtempfindlichen Echsen gründlich erforscht.
Die gefährlichen Gänge sind bereits versperrt. Wir
verfügen über eine hydroelektrische Anlage, die von einem Fluß gespeist wird, und Boris Pahlevi hat
ausgetüftelt, wie man die Steinschneider und Bohrer am effektivsten einsetzen kann.
Cecilia Rado arbeitet an Plänen zur Vergrößerung
und Verbesserung der Hauptkaverne; in die Felswand
lassen sich problemlos jede Menge Wohneinheiten ein-fügen. Aus dem überschüssigen Gestein bauen wir
Häuser entlang des Bergsockels, so wie du es hier auch veranlaßt hast. Raum genug für Werkstätten und alle möglichen Einrichtungen.« Red unterstrich die Wich-tigkeit der Ausführung, indem er jede Silbe einzeln betonte. »Die Familien, die mit uns kommen wollen, kön-136
nen sich endlich nach Herzenslust ausbreiten. Die hier herrschenden engen Wohnverhältnisse sind der Haupt-grund für unseren Wunsch, eine neue Ansiedlung zu gründen, Paul.« Er schüttelte sich. »Ich weiß, daß wir zusammenbleiben mußten, um uns gegenseitige Hilfe und Sicherheit zu gewährleisten. Aber was zuviel ist, ist zuviel. Platzmangel verträgt sich nun mal nicht mit meinem Beruf. Meine besten Zuchtstuten kommen in die Jahre, ohne daß ich sie decken lassen kann. Und seit wir getrockneten Seetang verfüttern, um den Anteil der Proteine und Pflanzenfasern zu erhöhen, kommen wir mit nur einem Futtermittelerzeuger aus.«
Paul hob beide Hände. »Laß mich auch mal was sagen, bitte, Red.« Er schmunzelte. »Ich habe überhaupt nichts dagegen, daß ihr fortgeht.«
»Wirklich nicht?« Red war über alle Maßen verblüfft.
»Und ich dachte …«
Paul Benden lachte, was recht selten vorkam. In diesem Moment merkte der Tierarzt, wie sehr sich Paul in den letzten neun Jahren verändert hatte. Kein Wunder, wenn man berücksichtigte, welche Bürde auf ihm lastete, seit Emily Boll vor drei Jahren am Fieber gestorben war.
Paul stand auf und trat an die Wand in seinem Büro, an der etliche Übersichtskarten hingen. Sie stammten von den Sonden, die man zu Vermessungs-und Beob-achtungszwecken ausschickte, nachdem die Kolonisten in den Parkorbit um Pern eingeschwenkt waren. Die Gegenden, die von den verschiedenen Teams erforscht worden waren, trugen die Symbole der entdeckten Me-137
talle und Mineralien. Die Stellen, an denen Höhlensysteme vorkamen, waren rot markiert, wobei man den per Echolot erkundeten Verlauf der Gänge grob eingezeichnet hatte. Drei vergrößerte Luftbildaufnahmen zeigten die riesige, ausufernde Festung Fort und den in einem erloschenen Vulkankrater angelegten Fort-Weyr, wo sich die Drachenreiter niedergelassen hatten; ein Stück weiter entfernt sah man die erst im vergangenen Sommer gegründete Siedlung in Boll.
»Ich würde es nie zulassen, Red, daß Leute in ihr Un-glück rennen, nur weil sie den Wunsch verspüren, von hier weg zu kommen. Aber eine Dezentralisierung ist in der Tat wichtig.« Red wußte, daß Benden ein erneutes Aufflackern des geheimnisvollen Fiebers fürchtete, das drei Jahre zuvor einen großen Teil der
Weitere Kostenlose Bücher