Ankunft
waren
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zum Weyr geflogen, um dort den Tod einer Drachenkönigin zu betrauern.
Auf eine ruhige Art trösteten Mairi und Red ihren
Schwiegersohn und ermutigten ihn, seinem Schmerz,
den er vermutlich bis jetzt unterdrückt hatte, nachzu-geben.
»Wenn ich helfen kann, komme ich sofort«, schlug
Mairi vor und sah dabei fragend Red an, der zustimmend nickte.
Sean hob den Kopf, schniefte und putzte sich die
Nase mit einem Taschentuch. »Danke, Mairi, aber wir schaffen es schon. Es war nur solch ein Schock. Es ist eine Sache, einen Kampfdrachen zu verlieren, aber …«
Er brach ab.
»Wir verstehen, was du meinst.«
»Deshalb bestand Sorka darauf, daß ich hierher flog, um mit eigenen Augen zu sehen, ob auch alles gut ging.
Ich gebe zu, daß ich einen gewaltigen Schreck bekam, als ich die neue Burg erreichte und euch nicht antraf …«
Sean brachte ein trauriges Lächeln zuwege.
Red drückte liebevoll Seans Schulter, wodurch er sein Mitgefühl und seine Dankbarkeit bekunden wollte.
»Und morgen müßt ihr auch noch einen Einsatz gegen
die Fäden fliegen«, bedauerte er. Seiner Meinung nach sollte man Menschen in Ruhe trauern lassen.
»Im Grunde ist es für uns alle das beste«, hielt Sean ihm entgegen, sich noch einmal mit dem Tuch die Trä-
nen trocknend, ehe er es wegsteckte.
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»Ich glaube, da hast du recht«, stimmte Mairi ihm
nach kurzem Überlegen zu.
»Dann ab mit dir, Sohn«, sagte Red mit aufgesetzter Forschheit und gab Sean einen sanften Schubs in Richtung Carenath. »Wir wissen es zu schätzen, daß du nach uns gesehen hast, und ohne dich stünden die blöden Ochsen vielleicht immer noch hier. Sobald Mairi und ich auf der anderen Seite sind, ziehen wir weiter.
Morgen sind wir alle in Sicherheit, macht euch also um uns keine Gedanken.« Plötzlich fiel Red etwas ein. »Sag mal, reicht eure Bodenmannschaft aus, falls es morgen zu dem Fädenfall kommt?«
Sean bedachte seinen Schwiegervater mit einem
schiefen Grinsen. »So weit ich weiß, stellt dieser Fluß die Grenze zwischen Burg Fort und eurer neuen Siedlung dar. Ihr seid nicht verpflichtet, Leute zur Bekämpfung der Fäden am Boden abzustellen … falls überhaupt noch jemand körperlich dazu in der Lage wäre. Zieht ihr ruhig weiter, damit ihr morgen früh bei den Höhlen seid.
Auf diese Weise helft ihr mir und Sorka am meisten.«
»Wird gemacht«, versetzte Mairi und drückte Sean
den in warme Decken gehüllten, schlafenden Ryan in
die Arme, ehe sie sich in Pies Sattel schwang.
»Das ist also der jüngste Onkel meines Sohnes«,
kommentierte Sean, lüpfte vorsichtig einen Zipfel der Decke und schaute in das kleine, rosige Gesicht.
»Und er bleibt auch der jüngste«, betonte Red. »Gib ihn mir«, fügte er hinzu, während er aufsaß. »King ist größer als dein Schecke, Mairi. Du kriegst ohnehin nasse Füße.«
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Mairi lachte kurz auf. »Nicht, wenn ich die Knie
hochziehe«, widersprach sie. »Grüße Sorka von uns,
Sean. Und richte allen vom Weyr unser tiefstes Mitge-fühl aus.«
»Ich werd's weitergeben, Mairi. Und … vielen
Dank.«
Der Weyrführer trat zur Seite, als Mairi ihr Reittier antrieb. Die Stute gehörte zu den seltenen Pferden, die sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen. Ohne zu zögern schritt das Pferd in die kalten Fluten, und selbst als das wirbelnde schwarze Wasser ihm bis an die Knie reichte, zuckte es höchstens einmal mit den Ohren.
»Es tut uns sehr leid, was bei euch im Weyr passiert ist, Sean.« Red hob zum Abschied die Hand. Über die Schulter blickend, sah er, wie Sean zu Carenath zurückkehrte, mit schleppendem Gang, die breiten Schultern gebeugt. Der Drache senkte die Schwinge und enthüllte seine funkelnden Augen. Red seufzte.
Erst dann merkte er, daß sein Hengst der Stute
dichtauf folgte; freiwillig, ohne Schenkeldruck, war King ins kalte Wasser gestiegen. Der Hengst reckte den mächtigen Hals, um an Pies Schweif zu schnuppern. Als Reaktion darauf klemmte die Stute den Schweif ein und fiel in einen flotten Trab, daß das Wasser hoch auf-spritzte. Red grinste über das neuerwachte Temperament in seinem Hengst, der plötzlich seine Müdigkeit abzuschütteln schien. Vermutlich würde Pie demnächst rossig. Und in diesem Jahr, sinnierte Red zufrieden, konnte er alle seine Zuchtstuten decken lassen.
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Als Red spürte, wie das steigende Wasser einen starken Sog entwickelte, klemmte er sich seinen Sohn fest in die Armbeuge. Mairi hatte die Knie so stark ange-winkelt, daß sie
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