Ankunft
beinahe ihr Kinn berührten, und die Fluten reichten ihrer Stute bis an die Flanken. Doch unbeirrt und absolut trittsicher trabte der Schecke vorwärts. Beide, Red und King, stießen einen lauten Seufzer der Erleichterung aus, als sie ein letztes Mal die Uferböschung erklommen.
»Seans Neuigkeiten behalten wir bis morgen früh für uns, Mairi«, schlug Red vor, ehe sie zu den anderen aufschlössen.
»Natürlich. Die Leute sind so ausgelaugt, daß wir sie nicht auch noch damit belasten müssen. Außerdem
sollte die Ankunft nicht durch Hiobsbotschaften getrübt werden.« Nach einer kurzen Pause setzte sie hinzu:
»Oder findest du das egoistisch, Peter?« Seinen
Vornamen benutzte sie nur, wenn sie sich verunsichert fühlte.
»Nein, es ist rücksichtsvoll. Probleme haben wir genug. Man muß den Menschen Zeit geben, sich ein biß-
chen zu erholen, ehe man ihnen den nächsten Schlag
versetzt.«
Da ausgeruhte Helfer aus der Burg zur Stelle waren, um die entkräfteten Ankömmlinge zu entlasten, ließ Red sich dazu überreden, sich auf einen der Karren zu setzen, während King an einem Seil hinterher geführt wurde. In der Dunkelheit gestattete es sich Red sogar, sich hinzulegen. Doch der Karren schien vollgepackt zu 182
sein mit scharfkantigen Kisten und allerhand hartem, unebenem Zeug.
Indem er sich hin und her wand und Sachen umräumte, schuf er sich schließlich eine Rückenstütze, die ihm keine Rippen zerquetschte oder seine Nieren prellte.
Jetzt bereute er es, daß er sich keine trockene Kleidung angezogen hatte, aber er wickelte sich in die
Decke, die Mairi ihm zuwarf, damit er sich nicht zu stark unterkühlte.
Snapper tauchte wieder auf, hockte sich auf seine
Schulter und wickelte den Schwanz um Reds Hals. Red streichelte das kleine Tier, spürte, wie es litt und daß es Trost suchte. Doch schon bald fehlte Red die Energie für derlei Zärtlichkeiten; statt dessen lehnte er den Kopf gegen den glatten, warmen Echsenkörper, der ein so bequemes Kissen abgab, daß Red Hanrahan trotz des festen Vorsatzes, wach zu bleiben, die Ankunft in seiner Burg verschlief. Er merkte nichts davon, daß die
Karawane in den hell beleuchteten Kreis vor der Felswand einrückte.
»Mairi wollte dich sogar die ganze Nacht lang in dem Karren schlafen lassen«, erklärte Brian, nachdem das Geplärre eines übermüdeten Kindes Red geweckt hatte.
»Doch er hat nur zwei Räder, und wir fanden nichts, um ihn abzustützen.«
Red beklagte sich bitterlich, weil man ihm den Anblick des triumphalen Einzugs nicht vergönnt hatte, doch niemand hörte auf ihn. Danach weigerte er sich strikt, in die Burg zu gehen und sich schlafen zu legen, 183
ehe er nicht die Unterbringung jedes einzelnen Tieres überwacht hatte.
»Sean sagt, auf der anderen Seite des Flusses gäbe es morgen früh Fädenfall«, erläuterte er denjenigen, die ihn drängten, sich endlich auszuruhen. »Normalerweise hat er recht, was die betroffenen Gebiete angeht, aber ich will, daß sich jedes Lebewesen hier bis Tagesanbruch unter einem Schutzdach befindet. Es könnte ja sein, daß Sean sich ausnahmsweise einmal irrt, und wir kriegen was von der vermaledeiten Fädenpest ab.« Dann stürmte er zu den Gehegen.
Die Hälfte des Viehs lag bereits auf dem sandigen
Boden und schlief, die anderen Tiere standen mit hängenden Köpfen da und dösten. Red marschierte
schnurstracks zu Kings Hengstbox am Ende des Pfer—
destalls. Kings Augen schimmerten in der matten
Beleuchtung, er schnaubte leise und schloß dann die Lider.
»Selbst das Pferd hat mehr Verstand als du …« legte Mairi los. In einem so scharfen Ton hatte sie mit ihrem Mann noch nie gesprochen.
»Ich muß mich einfach selbst überzeugen, ob die
Tiere es gut haben, Mairi«, murmelte Red erschöpft.
»Seit ich entschied, daß dieser Ort für eine neue
Ansiedlung geeignet ist, stelle ich mir in Gedanken vor, wie die Tiere sicher und geborgen in ihren Gehegen
stehen.«
»Dem Vieh fehlt es hier an nichts«, entgegnete sie, bugsierte ihn ohne viel Federlesens aus der Kaverne und in Richtung der Wohnburg.
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Halb zog sie ihn die Rampe hoch zu dem noch weit
offenen Eingang – doch zuvor mußte sich Red vergewissern, daß der Schlitten mit dem Portal ganz in der Nähe stand. Erst dann fügte er sich und suchte das Innere der Festung auf.
»Und wenn du glaubst, du müßtest jetzt hier herum—
pirschen und kontrollieren, ob wir während deiner
Abwesenheit auch alles richtig gemacht haben, dann
kannst
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