Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
– ihre eigenen Worte, die sie erst vor kurzer Zeit gesprochen hatte, echoten in ihrem Kopf wieder. Pageronn war nun tot.
Lavielles Augen wurden bei dem Gedanken, der sich gerade in ihr manifestierte, so groß, dass Garock vor ihr in die Hocke ging und sie ansah. Die Sorge war ihm zwar nicht anzusehen, doch Lavielle spürte sie.
»Mir geht’s gut, großer Mann, aber mir kam gerade ein schrecklicher Gedanke.« Fest sah sie in die glitzernden Edelsteine, die sich im Schädel des Kriegers hinter ledrigem Gestein zu verbergen suchten und sich nur durch ihr waches Funkeln verrieten.
Ihre Blicke trafen sich und hielten einander in angenehmer Ruhe stand. Gefasst sprach sie weiter. »Was, wenn das Feuer auf der Tribüne gar kein Unfall war, sondern ein Mordanschlag?« Lavielle fröstelte, als sie ihren Gedanken laut ausgesprochen hatte.
»Was, wenn dieser Assassine soweit geht und das Leben vieler Unschuldiger für die Erfüllung eines einzigen Auftrags aufs Spiel gesetzt hat?«
Glücklicherweise war derjenigen, dem man das alles mitteilen konnte, noch am Leben. Lavielle blickte immer noch fragend in Garocks Augen und neigte den Kopf etwas, während sie das Kinn leicht hob. Garock nickte langsam und die Heilerin sprach weiter. »Richter Bungad. Natürlich. Er hat fast unverletzt überlebt, wie man so hört.«
Garock richtete sich langsam auf und bot Lavielle die Hand zum Aufstehen. Entschlossen stand sie auf.
»Wenn Richter Bungad hört, dass es ein Mordanschlag und kein Unfall war, wird er uns bestimmt seine volle Aufmerksamkeit schenken und wir können vielleicht sogar in seinem Namen nach den Verantwortlichen suchen.«
Flink drehte sich die junge Heilerin um und wollte gerade losgehen, als sie sanft aber unmissverständlich von einer Riesenhand an der Schulter zurückgehalten wurde. Verwundert blickte sie zurück.
Garock hatte immer noch die Hand auf ihrer Schulter und in der anderen ließ er einen saftigen Apfel tanzen.
Lavielle war es ein Rätsel, wo er so schnell diesen Apfel hergezaubert oder wo er ihn versteckt hatte. Sie musste lachen und zeigte dabei ihre herrlichen Zähne. Ihr Leben lang war Lavielle die große Schwester gewesen und plötzlich schien sie einen großen Bruder zu haben, der sich um sie kümmerte. Wenn sie ehrlich war, hatten sie durch den Gewürztee noch verstärkt einen riesigen Hunger und eine Ewigkeit nichts gegessen. Dankbar griff sie nach der Frucht und biss hinein.
Dann verließ das ungleiche Paar den Tempel der Schlange und trat auf die immer noch mit Menschen überfüllten Straßen.
***
Am Haus des Rates angekommen, arbeitete sich Lavielle etwas entschiedener durch die vielen Menschen. Als sie einen Blick über ihre Schulter warf, sah sie Garock ein Stück weiter hinten in der Menge. Er stand einfach im Fluss der Menschen, die ausnahmslos mindestens einen, meist zwei Köpfe kleiner waren als er. Die bunten Massen wogten um den Berisifelsen, während dieser Lavielle unvermittelt anschaute. Sie begann sich zu fragen, ob es keine normalen Männer mehr in ihrer Umgebung gab. Entweder sie versprachen ihr die Sterne vom Himmel oder sie sprachen gar nicht.
Leicht gereizt drängte sie zurück zu dem Riesen. Wie üblich den Kopf im Nacken setzte sie ihre ebenmäßige Stirn in Falten und sah Garock gereizt an. »Was ist?«
Jeder andere hätte wohl geglaubt, der Berisi-Krieger wäre von irgendjemandem angerempelt worden und hätte deshalb leicht mit dem Kopf gewackelt, doch Lavielle wusste es inzwischen besser. Garock hatte mit seiner sparsamen Kinnbewegung auf den Eingang des Ratshauses gedeutet.
Dort standen neben fünf Männern der Stadtwache auch zwei große Soldaten in anderen Uniformen, die äußerst finster drein schauten.
Lavielle hatte einmal von den königlichen Leibsoldaten gehört. Man nannte sie Korden. Es waren ausnahmslos Männer weit aus dem Osten des Reiches aus einer Provinz, die Korodan’Trz’Pju hieß. Keiner konnte den Namen richtig aussprechen, so wurden sie kurz Korden genannt. Von diesen Männern war jeder mindestens sieben Fuß groß. Ihr Volk war für seine Zähigkeit, seine Loyalität und die Beherrschung der Schleuder und des beidhändig geführten Schwertes bekannt. Abgesehen von ihrer auffälligen Größe, ihren finsteren, schmal geschnittenen Augen und ihren meist pechschwarzen Haaren, die sie zu kunstvollen Zöpfen geflochten trugen, konnte man sie schon von Weitem an ihren goldfarbenen Rüstungen, die mit schwarzem Leder versetzt waren,
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