Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
Vom Netzwerk:
meinem Tisch lag die Nummer eines Mailänder Abendblattes. Auf der ersten Seite stand in großer Aufmachung ein antibritischer Hetzartikel. Er warf einen Blick darauf und sah mich an.
    »Sind Sie ein Patriot, Mr. Marlow?«
    »In Mailand bin ich geschäftlich«, sagte ich bestimmt.
    Er nickte, als hätte ich etwas Tiefsinniges gesagt. »Man sollte auch nicht«, sagte er langsam, »seinem Patriotismus gestatten, mit den Geschäften in Konflikt zu kommen. Patriotismus ist fürs caffè . Dort sollte man ihn samt dem Trinkgeld für den Kellner liegenlassen.«
    Jetzt klang in seiner Stimme ein deutlich vernehmbarer Spott mit. Aus irgendeinem Grunde wurde ich rot.
    »Ich verstehe Sie nicht ganz, General.«
    Sein Benehmen änderte sich etwas. Sein weibisches Wesen schien plötzlich nicht mehr so auffallend.
    »Sie verkaufen doch gewisse Maschinen an die italienische Regierung? So habe ich wenigstens meinen Freund Ferning verstanden.« Ich nickte. Er starrte auf meine Krawatte.
    »Nun ja. Das regt einen zu einer Frage an.« Er blickte auf. »Ich verstehe natürlich, daß es sich da um heikle Angelegenheiten handelt. Geschäft ist Geschäft, das ist logisch. Es kennt keine Grenzen. Angebot und Nachfrage, Kredit und Debet. Ich selbst habe kein Flair fürs Geschäft. Es ist ein Ritual, das ich höchst verwirrend finde.«
    Er sprach wieder italienisch. Wir bewegten uns zur Tür, und ich ergriff seinen Mantel, um ihm hineinzuhelfen. Wir beugten uns gleichzeitig vor, um Hut und Stock aufzuheben, aber er rückte noch seinen Mantel an den Schultern zurecht, und ich kam ihm zuvor. Der Stock war ziemlich schwer, und als ich ihn ihm überreichte, glitten meine Finger über eine winzige Kerbe im Malakkaholz. Er nahm mir den Stock mit einer leichten Verbeugung ab.
    »Also am Mittwoch, Signore.«
    »Mittwoch, General.«
    In der Tür wandte er sich um. Im scharfen Licht des Korridors wurde die Schminke auf seinen Wangen lächerlich deutlich. Er schlug die Absätze zusammen. »Arrivederci, Signore.«
    »Guten Abend, General.«
    Er ging. Ich kehrte in mein Zimmer zurück, aber das Bad hatte ich für den Augenblick ganz vergessen.
    General Vagas verwirrte mich. Ich hatte das unbehagliche Gefühl, als sei mir in seinem Gespräch etwas Wichtiges entgangen. Ich wünschte auf einmal, daß ich mehr über Ferning gewußt hätte. Aber Ferning war tot, und ich hatte an wichtigere Dinge zu denken als an weibische jugoslawische Generäle. In ein, zwei Tagen würde ich ihm schreiben, daß mich wichtige Geschäfte verhinderten, ihn und seine Frau am Mittwoch zu treffen. Vermutlich würde das sogar stimmen. Ich mußte mich mit Pelchers Empfehlungsbriefen bei den wichtigsten Kunden der Firma gut einführen. Ja, das war meine Aufgabe – mich gut einführen. Wenn Spartacus seine Granatenmaschinen verkaufen und jemand anderer sie kaufen wollte, so war es nicht meine Sache, über Recht oder Unrecht des Geschäftes nachzugrübeln. Ich war nur Angestellter und nicht dafür verantwortlich. Hallen hätte vermutlich etwas darüber zu sagen gewußt, aber Hallen war ja Sozialist. Geschäft ist Geschäft. Worauf es ankam, war, sich nur um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern.
    Ich hatte das Bad einlaufen lassen und begann mich auszuziehen, als es an der Tür klopfte.
    Es war der Direktor des Parigi in eigener Person.
    »Ich muß mich für die Störung sehr entschuldigen, Signor Marlow.«
    »Schon gut. Was gibt’s?«
    »Die Polizei hat telefoniert, Signore. Sie nimmt an, daß Sie einige Zeit in Italien bleiben wollen, und da ist es nötig, Ihren Paß zur Registrierung vorzulegen. Der Paß wird nur für ein paar Stunden benötigt und Ihnen dann zurückgegeben.«
    »Das weiß ich. Aber ich hab Ihnen meinen Paß doch schon gegeben. Sie haben gesagt, Sie würden diese Formalitäten in Ordnung bringen.«
    Er wurde etwas verlegen. »Gewiß, Signore. Gewöhnlich – wenn es sich um Touristen handelt –, aber in Ihrem Fall liegt die Sache anders. Ich habe Ihren Paß hier, Signore. Wenn Sie so freundlich sein wollen, sich morgen selbst bei der Amministrazione zu melden, wird sich alles von selbst erledigen.«
    »Na gut.« Ich nahm den Paß. »Vermutlich ist das der normale Weg.«
    »Ja, Signore, gewiß. Die Vorschriften, Sie verstehen. Wenn der Signore ein Tourist wäre, wäre die Sache einfach. Für Daueraufenthalte gibt es gewisse Formalitäten. Ganz normal, Signore, und nach den Vorschriften. Gute Nacht, Signore.«
    »Gute Nacht.«
    Er ging, und ich dachte nicht mehr

Weitere Kostenlose Bücher