Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
Vom Netzwerk:
Ich begann darüber nachzudenken, was mir Zaleshoff von Fernings Tod erzählt hatte. In Gedanken sah ich ihn eine Straße entlang gehen, so wie ich. Er mußte das Auto gehört haben, ehe es ihn erfaßte. Und im letzten Augenblick mußten diese ängstlichen Augen, dieses flache, plumpe Gesicht von Entsetzen verzerrt gewesen sein. Ich dachte an seinen kahlen Kopf. Er mußte grotesk geschlenkert haben, als er hinschlug. Aber das Ganze war wohl nur ein Produkt der Phantasie Zaleshoffs. Solche Sachen gab es einfach nicht. Dann ließ mich ein einzelner Wagen, der vor mir aus einer Seitenstraße einbog, entsetzt zur Seite springen. Ich brach in Schweiß aus. Nur mit Mühe konnte ich mich dazu zwingen, nicht zu laufen. Ich war heilfroh, als ich das Hotel erreichte.
    Der Portier machte mir ein Zeichen von seiner Loge her.
    »Da ist ein Brief für Sie, Signore. Und ein Herr wartet auf Sie. Ich sagte ihm, es könne spät werden, bis Sie kommen, aber er wünschte zu warten. Er wurde ins Schreibzimmer geführt, wo es warm ist.«
    Ich nahm den Brief. »Wer ist es?«
    »Ich war nicht im Dienst, als er kam. Er gab keinen Namen an.«
    »Gut. Danke.«
    Ich ging ins Schreibzimmer.
    Dort saß, gemütlich neben der Zentralheizung eine Zeitung lesend, Vagas.

9. Kapitel
    O.V.R.A.
    A
    ls ich ins Zimmer trat, legte er die Zeitung weg und stand auf. Er war im Abendanzug.
    »Guten Abend, Mr. Marlow.«
    »Guten Abend, General.« Ich war nicht in sehr freudiger Stimmung, und meine Begrüßung konnte auch nicht so geklungen haben, denn er hüstelte entschuldigend.
    »Hoffentlich verzeihen Sie mir mein Eindringen. Aber ich muß Sie dringend sprechen.«
    »Bitte sehr.« Ich bemühte mich, liebenswürdig zu sein. »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
    »Danke, nein. Vielleicht eine Ihrer englischen Zigaretten. Danke sehr. Wollen wir uns setzen? Ich werde Sie nicht lange aufhalten.«
    »O Verzeihung. Bitte nehmen Sie Platz.«
    »Verbindlichsten Dank.« Er setzte sich und schaute auf widerliche Weise im Zimmer umher. »Eine recht deprimierende Atmosphäre, Mr. Marlow. Dieses Utrecht-Grün, diese verblaßten Erinnerungen an einen ausgelaugten Imperialismus. Buonaparte war für mich schon immer eine eher klägliche Figur: ein Parvenu mit dem Talent, aus gescheiten Leuten Narren zu machen. Ein Mann mit einem Hang zum Pomp und der Seele eines Buchhalters. Sind wir uns da nicht einig?«
    »Wenn ich hier bin, schlafe ich meistens.« Das war vielleicht ein bißchen zu spitz,’ aber er nahm es gelassen und nickte.
    »Ja, natürlich. Sie sind ja ein vielbeschäftigter Mann. Ich will Ihnen meinen etwas unkonventionellen Besuch erklären. Gestern abend …« Er unterbrach sich. » Übrigens hoffe ich, daß Sie sich nicht zu sehr gelangweilt haben.«
    »Durchaus nicht. Es war ein sehr angenehmer Abend.«
    »Das freut mich. Meine Frau fand Sie charmant.«
    »Bitte empfehlen Sie mich Madame Vagas.«
    »Danke. Indessen«, fuhr er fort, »ist da eine Sache, über die ich noch etwas sagen möchte.«
    »Ja?« Ich glaubte zu wissen, was kommen würde. Aber ich täuschte mich.
    »Es handelt sich um Commendatore Bernabò. Es liegt mir sehr daran, daß Sie wieder mit ihm zusammenkommen, Mr. Marlow. Ich hatte heute Gelegenheit, ihn zu sprechen, und erfuhr von ihm zufällig einige sehr interessante Neuigkeiten. Interessant«, fügte er mit einem vielsagenden Blick hinzu, »von Ihrem Standpunkt aus.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Wie ich höre«, fuhr er bedeutsam fort, »beabsichtigt die Regierung, Munitionsmaschinen in großer Anzahl zu kaufen, bei einer deutschen Firma. Es handelt sich um Typen, wie Ihre Firma sie liefert.«
    Er erwartete offenbar, daß ich etwas hierzu bemerken würde, aber ich wartete ab. Er zog an seiner Zigarette und ließ langsam den Rauch ausströmen. Dann fuhr er fort.
    »Ich dachte dabei an Sie, Mr. Marlow, und hatte mit dem Commendatore eine kleine Unterhaltung über dieses Thema. Ich fürchte, die deutsche Firma ist sehr gut eingeführt. Natürlich neigt Italien aus politischen Gründen eher dazu, in Deutschland Bestellungen zu machen als anderswo. Aber die deutsche Firma hat sich außerdem mit – sagen wir – unmoralischen Mitteln Freunde gemacht.« Er starrte auf seine Zigarette. »Nun weiß ich ja nicht, wie Ihre Haltung gegenüber diesen bedauerlichen Gepflogenheiten ist, Mr. Marlow, aber wenn Ihre Firma Aufwendungen für – wie soll ich sagen – für Repräsentation und so weiter bewilligt, so muß ich annehmen, daß in diesem Fall

Weitere Kostenlose Bücher