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Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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sich in derselben Ecke niederlassen? Vielleicht sind sie miteinander aufgewachsen, vielleicht sind sie aneinander gewöhnt, vielleicht hängen sie sogar beide gleichermaßen an ihrem Herrn. Aber es ist ihnen nie so recht wohl. Die Katze ist immer auf der Hut, und der Hund ist unruhig. Sie können nie ganz vergessen, daß zwischen Katze und Hund eine Urfeindschaft besteht. Es bleibt immer ein Rest von Mißtrauen gegeneinander, den sie nie ganz vergessen können. So ist es mit den Nazis und den Faschisten. Sie verständigten sich über Österreich. Sie koordinierten ihre Aktionen in Spanien. Sie kamen überein, Genf zu boykottieren. Sie beschlossen, eine gemeinsame Front gegen die Westmächte zu bilden. Aber Johann Luitpold Vagas wurde trotzdem nach Italien entsandt. Der Hund behält ein Auge offen – für alle Fälle.«
    »Wissen die Italiener nicht, daß er eigentlich ein deutscher Agent ist?«
    »Bestimmt nicht. Wie sollten sie das wissen? Er wäre nicht der erste deutsche Offizier, der in fremden Diensten steht. Ich habe es nur durch Zufall herausgefunden. Der Kerl hat doch einen jugoslawischen Paß, und dieses schöne Märchen über seine Arbeit für Jugoslawien ist sehr geschickt verbreitet worden. Nein, wenn sie Vagas jemals verhaften, so wird es wegen Spionage für Jugoslawien sein. Und das paßt dem deutschen Außenministerium. Es wäre doch für alle Beteiligten fatal, wenn ein wichtiger deutscher Spion auf italienischem Boden angetroffen würde.«
    »Aber was tut Vagas denn eigentlich?«
    Zaleshoff stieß einen verzweifelten Seufzer aus. »Was er tut? Hören Sie, Marlow, gesetzt den Fall, ein Engländer kommt zu Ihnen und schwört Stein und Bein, daß Spartacus im nächsten Monat Konkurs macht, was täten Sie dann? Ob Sie ihm glauben oder nicht – jedenfalls würden Sie einem Freund in England schreiben und ihn bitten, der Sache nachzugehen. Das ist Vagas’ Geschäft – nachforschen. Wenn die Italiener ihren Nazifreunden erzählen, daß sie in diesem Jahr 250 Bomber eines neuen Typs bauen, so setzt sich Onkel Vagas in Bewegung und überzeugt sich, ob es nicht vielleicht 550 sind. Diktatoren, die nicht einmal ihren eigenen Untergebenen trauen können, trauen sich auch gegenseitig nicht über den Weg. Und wie die Dinge momentan stehen, vertieft sich das gegenseitige Mißtrauen. Das ist der einzige schwache Punkt in der Achse Rom-Berlin, und deswegen sitze ich hier und rede mit Ihnen.«
    »Ich überlege schon lange, warum Sie das tun«, murmelte ich.
    »Also nun wissen Sie es.« Er schob sein Kinn angriffslustig vor. »Die Sache ist die, daß das Verhältnis zwischen Italien und Deutschland nicht mehr so ist wie früher. Österreich wird verschwinden. Bald wird die Reichswehr am Brenner stehen. Diese Tatsache beunruhigt Mussolini, und weil er Angst hat, ist er gefährlich – für Deutschland. Die Nazis sind auf der Hut. Vagas macht Überstunden.«
    »Ich sehe noch immer nicht, was das mit mir zu tun hat.«
    Das Mädchen blickte von ihrer Näharbeit auf. »Mein Bruder liebt den Klang seiner eigenen Stimme.«
    »Ich liebe ihn so sehr«, antwortete Zaleshoff, »daß ich ihm eine kleine Geschichte erzählen werde.« Er wandte sich wieder mir zu. »Als ich in Chicago zur Schule ging, Marlow, waren da zwei große Lümmel, Joe und Ted, die uns kleinere tyrannisierten. Monatelang ging das so. Wir hatten mehr als genug davon. Wir lauerten ihnen auf, aber sie verprügelten uns. Eines Tages hatten wir eine großartige Idee. Da war ein Knabe, der Joe wie ein Schatten zu folgen pflegte. Er hieß Augustus, ob Sie es glauben oder nicht. Wir nannten ihn Augie. Er war auch von Joe tyrannisiert worden, und um sich zu schützen, putzte er Joes Schuhe und machte allerhand Besorgungen für ihn. Joe ließ sich das gnädigst gefallen. Dann brachte es Augie so weit, daß Joe die Buben, die Augie haßte, verprügelte, und der tat es nur zu gern. Augie wurde eine Art Schützling von Joe. Wo immer Joe und Ted sich zeigten, trottete Augie hinter ihnen her. Wir waren wütend darüber, bis wir unseren Einfall hatten. Eines Tages warteten zwei von uns bei der Schutthalde am Ende der Straße auf Augie. Wir sagten, wir hätten ihm etwas Komisches zu erzählen. Wir sagten, wir hätten Ted sagen hören, Joe sei nichts anderes als eine feige Ratte, die es nicht wagen würde zu quietschen, wenn er, Ted, ihn herausfordern würde. Dann verprügelten wir Augie ein bißchen und warteten das Weitere ab. Wir brauchten nicht lange zu warten. Augie

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