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Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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ein wenig. Ich weiß sehr gut, daß eigentlich ich daran schuld bin. Mit ein bißchen Phantasie hätte ich wissen müssen, daß du schon genug Sorgen hast, ohne daß so ein dummes Ding vom Heiraten redet und alles noch ärger macht.«
    Ich blieb mit einem Ruck stehen. »Worauf, zum Kuckuck, willst du denn hinaus?«
    »Geh nur weiter, Liebster, ich werd’s dir schon sagen.« Also gingen wir weiter. » Erinnerst du dich an diese technische Zeitschrift, die du neulich bei uns in der Halle gelassen hast?«
    »Ja, was ist damit?«
    »Ich hab sie durchgesehen, Nicky. Du hattest eine Annonce bei den Stellenangeboten angestrichen. Erinnerst du dich?«
    »Ja, dunkel.«
    »Nun?«
    Ich platzte heraus. »Hör einmal, du meinst doch nicht …«
    »Warum nicht? Die Stelle ist doch wie für dich geschaffen.« Und dann, als ich weiter Einwände machen wollte: »Nein, hör zu, Nicky. Das würde dir direkt gut tun.«
    Ich blieb wieder stehen. »Jetzt hör du mir einmal zu, meine Liebe. Es gibt Dinge, die phantastisch und absurd sind, und das ist so etwas.«
    »Schön, aber hier« – sie nahm einen Zettel aus ihrer Handtasche und schob ihn in meine Manteltasche – »ich habe sie auf jeden Fall herausgerissen, falls du deine Meinung änderst. Gute Nacht, Liebster.«
    Als ich nach einer Weile meinen Weg zur Straßenbahnhaltestelle fortsetzte, hatte ich den Fetzen Papier total vergessen.
    Eine Woche verging. Diese sieben Tage waren die niederschmetterndsten, die ich je erlebte. Während der ersten sechs geschah gar nichts. Dann, am Morgen des siebenten, erhielt ich einen Brief von einer bekannten Maschinenfabrik, der ich meine Dienste angeboten hatte auf eine Annonce hin, in der ein Leiter für eine kleinere Fabrik gesucht wurde. Ich sollte mich um drei Uhr im Büro vorstellen.
    Um drei Uhr war ich dort. Zwei andere Männer waren mit mir im Warteraum. Beide in mittleren Jahren. Ich vermutete, daß beide in derselben Angelegenheit da waren wie ich. Ich hatte recht.
    Ich wurde als letzter beim Direktor vorgelassen. Er begrüßte mich mit dem Ausdruck geduldiger Liebenswürdigkeit.
    »O ja«, sagte er und sah auf meinen Brief, der auf einer makellosen Löschpapiermappe vor ihm lag – »Mr. Marlow, nicht wahr? Ja, ja. Ich habe Sie aus einem besonderen Grund gebeten, bei mir vorzusprechen. Offen gesagt halten wir Sie für etwas zu jung für den augenblicklich in Frage kommenden Posten.« Er drehte gelassen an seinem Schnurrbart. Ich wartete. »Immerhin«, fuhr er fort, » könnten wir einen jungen Mann mit Ihren Qualifikationen brauchen, und zwar in Verbindung mit einem wichtigen Kontrakt, den wir eben abgeschlossen haben. Verstehen Sie mich recht; ich mache Ihnen noch kein definitives Angebot. Sollten Sie Interesse dafür haben, so werden wir die Sache weiter besprechen. Das Gehalt ist natürlich nicht sehr groß. Sie wissen vermutlich, wie schlecht die Geschäfte momentan gehen. Und Sie müßten sich auf mindestens vier Jahre verpflichten. Aber das dürfte einen jungen Mann wie Sie nicht weiter beunruhigen. Schließlich ist Bolivien ein großartiges Land …«
    Ich unterbrach ihn: »Wo, sagten Sie?«
    Er blickte überrascht auf. »Bolivien. Der Chacokrieg«, fuhr er vertraulich fort, »hat den Leuten bewiesen, wie notwendig es ist, sich in Kriegsfällen auf sich selbst zu verlassen. Es handelt sich jetzt darum, dort zwei Fabriken einzurichten und dafür zu sorgen, daß sie rentabel arbeiten. Die Erfahrung allein …«
    Aber ich hatte mich schon erhoben. Ich fühlte, wie mein Gesicht puterrot wurde. »Danke Ihnen vielmals«, sagte ich kurz. »Ich fürchte, meine Zeit ist heute kostbar, und ich muß Sie um Verzeihung bitten, daß ich die Ihre vergeudet habe. Sie werden den Mann, den Sie suchen, sicher leicht finden.«
    Er starrte mich einen Augenblick an und zuckte die Achseln. »Natürlich. Guten Abend. Bitte schließen Sie die Tür hinter sich, wenn Sie gehen.«
    Draußen kaufte ich eine Abendzeitung, ging in eine Teestube gegenüber und bestellte mir eine Tasse Tee. Dann bemerkte ich, daß am Tisch neben mir einer der Männer saß, die ich im Wartezimmer gesehen hatte. Einem plötzlichen Impuls nachgebend, beugte ich mich zu ihm hinüber.
    »Verzeihen Sie, Sir, gestatten Sie eine Frage? Es würde mich interessieren, ob man Ihnen auch einen Posten in Südamerika angeboten hat.«
    Er sah überrascht auf. Er war grauhaarig, hatte ein schwerfälliges, aber intelligentes Gesicht und große, geschickte Hände. Er warf mir einen prüfenden

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