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Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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versprochen, sie niemandem zu erzählen.
    Ich wandte mich mit dem Problem an Claire. Einiges mußte ich ihr erklären, einiges wußte sie selbst schon von dem, was passiert war. Ich nahm aber an, sie wäre scharf drauf, eine ganze Menge mehr zu wissen, und ich hatte recht damit.
    Wenn ich nun, argumentierte sie spitzfindig, die Namen der Orte und der Beteiligten – meinen inbegriffen – änderte, so daß sie niemand wiedererkennen würde, konnte von mir auch niemand behaupten, ich hätte die Geschichte weitererzählt. »Zudem«, fügte sie hinzu und schaute in die Ferne, »wenn dieser Zaleshoff ein Spion ist, liest er vermutlich keine Spionage-Romane.«
    Mir blieb die Spucke weg. »Ich habe wohl noch nie eine solche Sophisterei gehört. Nebenbei, wer sagt denn, es sei eine Spionagegeschichte? Es ist keine.«
    Sie schaute mich einen Augenblick nachdenklich an. »Weißt du, mein Schatz«, sagte sie schließlich, »ich glaube, ich habe Glück gehabt. Welche Frau hat schon einen Schwindler zum Mann, der so schlecht lügen kann?«
    Hier also ist die Geschichte.

    Eins ist sicher: dieser Posten hätte mich nie verlocken können, wenn ich nicht in einer verzweifelten Lage gewesen wäre.
    Anfang Januar beschloß die Barnton-Heath-Maschinenfabrik, den größten Teil ihrer Anlagen stillzulegen.
    Der erste Schlag traf mich einen Tag, nachdem ich Claire um ihre Hand gebeten hatte. Als ich an diesem Morgen mein Büro betrat, erschien mir das Leben in den verlockendsten Farben. Genau genommen war dazu gar kein Grund. Claire hatte mir nur versprochen, »sich’s gut zu überlegen« und mir dann Antwort zu geben. Aber ich war auch so zufrieden. Ich sagte mir, daß sich ein Mädchen wie Claire sofort entschieden hätte, wenn sie mich nicht haben wollte. Sie ist ja nicht nur sehr schön, sondern auch sehr klug.
    Gegen Mittag sah ich gerade mit meinem Assistenten einen Stapel Kostenvoranschläge durch, als ich von der Zentrale in London die Mitteilung erhielt, daß mich Generaldirektor Herrington am Nachmittag sprechen wolle. Solche Aufforderungen von Herrington waren selten. Ich fragte mich, was eigentlich los sei, und war auch ärgerlich über die Unterbrechung meiner Arbeit, als ich am Bahnhof von Barnton um zwei Uhr fünfundvierzig den Zug bestieg. Um halb vier sprach ich mit Herrington. Um vier Uhr ging ich langsam die Queen Victoria Street hinunter, mit einem Brief in der Tasche, in dem stand, daß meine Dienste »zwingender Umstände halber« nicht mehr benötigt würden.
    Herringtons sorgfältig gewählte Worte des Bedauerns klangen mir noch im Ohr.
    »Verdammtes Pech, Marlow, aber es ist einmal so. Die Barnton-Heath-Werke stecken in den roten Zahlen. Das hat natürlich nichts mit Ihnen zu tun. Die Lohnkosten so nahe bei London sind zu hoch. Felstead hat uns geschrieben, daß er seinen Kontrakt zu unseren Preisen nicht mehr erneuern kann, und die Lage ist im Augenblick zu unsicher, als daß wir riskieren könnten, Ihr Projekt weiterlaufen zu lassen. Es handelt sich darum, unsere Verluste zu vermindern. Schlimm für Sie, selbstverständlich. Aber auch für uns. Gute Betriebsingenieure liegen nicht auf der Straße. Es wird Ihnen nicht schwerfallen, wieder unterzukommen. Wenn ich etwas für Sie tun kann, lassen Sie es mich wissen.«
    Und dabei blieb es. Ich hatte einen Monat Zeit, um eine andere Stelle zu finden. Und die Lage war im Augenblick alles eher als rosig. Betriebsingenieure lagen zwar nicht gerade auf der Straße, aber Stellungen auch nicht. »Konjunkturrückgang« hieß das in den Zeitungen. Soweit ich es beurteilen konnte, bestand kein großer Unterschied zwischen Konjunkturrückgang und einer guten altmodischen Krise. »Wenn ich etwas für Sie tun kann, lassen Sie mich’s wissen.« Ja, er konnte etwas tun: mir einen anderen Posten verschaffen. Aber das hatte er wahrscheinlich nicht gemeint. Er war ein netter Kerl, dieser Herrington, nur ein bißchen zu liebenswürdig. Nein, zum Teufel, das stimmte ja gar nicht. Er war kein netter Kerl. Ich hatte ihn nie riechen können, und er hatte mich gehaßt. Es war ihm wahrscheinlich ganz recht, daß er mich los wurde. Er hatte mir nie ganz verziehen, daß ich ihn bei den ursprünglichen Felstead-Kostenberechnungen ins Unrecht gesetzt hatte. Aber so war es nun einmal. Selbstmitleid nützte mir gar nichts. Ich kannte eine Menge Leute, die mir einen guten Posten verschaffen konnten. Vielleicht würde ich sogar etwas Besseres bekommen. Kein Grund zur Panik. Ich hatte massenhaft

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