Anlass
Saat auf. Es waren zwei Briefe für mich da. In beiden kam das Wort »Bedauern« in der ersten Zeile vor.
Ich nahm ein Bad, zog mich um, setzte mich ans Feuer und zündete eine Zigarette an. Zehn Minuten blieb ich dort sitzen und dachte nach. Dann stand ich auf. Es konnte ja nichts schaden, zu schreiben. Wahrscheinlich würde ohnehin nichts daraus werden. Auch wenn mir die Stelle angeboten würde, konnte ich mir’s noch anders überlegen.
»Übrigens«, bemerkte ich später zu Claire so nebenbei, »es wird dich vielleicht interessieren, daß ich wegen der italienischen Stellung doch geschrieben habe. Ich werde sie natürlich nicht annehmen, aber es schadet ja nichts, zu wissen, was eigentlich dahintersteckt.«
»Ich dachte mir schon, daß du vernünftig sein würdest, Liebster«, erwiderte Claire.
2. Kapitel
Spartacus
V
ier Tage später erhielt ich einen Brief von den Spartacus-Werkzeugmaschinen-Werken in Wolverhampton. Er war von Mr. Alfred Pelcher, dem leitenden Direktor, unterzeichnet, und man ersuchte mich, am nächsten Tag in Wolverhampton vorzusprechen. »Sollte«, so hieß es in dem Schreiben, »unsere Unterredung zu keinem Resultat führen, so werden wir Ihnen gern Ihre Reisespesen ab London ersetzen.«
Das klang recht entgegenkommend. Am nächsten Tag erkundigte ich mich am Bahnhof von Wolverhampton nach dem Weg zu den Spartacus-Werken. Nach einer Busfahrt und einem zehnminütigen Fußmarsch stand ich am Ende einer langen, schmutzstarrenden Straße vor einer düsteren zusammenhanglosen Ansammlung von Gebäuden. Der Anblick war nicht dazu angetan, meinen sinkenden Mut zu heben, und auch der Empfang ermutigte mich wenig.
Als ich näher kam, erschien ein altersschwacher Türhüter aus seinem hölzernen Pförtnerhaus und fragte mich nach meinem Anliegen.
»Ich möchte Mr. Pelcher sprechen.«
Er machte ein saugendes Geräusch mit den Zähnen und schüttelte energisch den Kopf. »Reisende werden nur dienstags und donnerstags vorgelassen. Es ist schade um die Zeit, es an andern Tagen zu versuchen.«
»Ich bin kein Reisender. Ich habe eine Verabredung mit Mr. Pelcher.«
Er machte ein beleidigtes Gesicht. »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Ich tue nur meine Pflicht. Ich kann ja nicht alles wissen. Hier« – er ergriff mich beim Arm – »da hinüber und die Stiege hinauf.« Er deutete auf eine Stahltreppe, die an der Seite eines schwarzen Ziegelbaus auf der andern Seite des Hofes hinaufführte, und zog sich dann, etwas vor sich hinbrummend, in sein Büro zurück.
Ich dankte ihm, kletterte die Stiege hinauf und stieß eine Tür auf, an der VERKAUFSBÜRO UND AUSKUNFT, Bitte eintreten , stand. Dann kam ein kleines Milchglasfenster mit der Aufschrift Bitte anklopfen . Ich klopfte. Das Fenster glitt mit einem Krach herunter, und ein fetter, bleicher Jüngling mit einem Anflug von Schnurrbart gaffte mich an.
»Ich möchte Mr. Pelcher sprechen.«
»Vertreter dienstags und donnerstags«, sagte der Jüngling streng. »Am Tor ist’s angeschlagen. Ich weiß nicht, was ihr euch eigentlich denkt. Sie vergeuden nur Ihre und meine Zeit. Er ist jetzt nicht zu sprechen.«
»Ich bin herbestellt.«
Er zuckte die Achseln. »Name?«
»Marlow.«
»Okay.«
Das Fenster krachte wieder zu, und ich hörte, wie er am Telefon nach Mrs. Moshowitz fragte. »Sind Sie es, Mrs. Mo? Hier spricht Ihr kleiner Ernest vom Verkaufsbüro.« Dann eine Pause. »Sie sind mir aber eine«, fuhr er neckisch fort, und plötzlich fiel er in den Jargon der Gangsterfilme. »Hör mal, Schwester. Da ist ’n Kerl namens Marlow, der will mit dem Boss ’ne Verabredung haben. Soll ich ihn mir vorknöpfen und ihm eine Abreibung verpassen oder soll ihn Big Boy selber fertigmachen?« Wieder eine Pause. »Schon gut, schon gut, nur keine Aufregung.« Er schmiß den Telefonhörer auf die Gabel, erschien wieder an der Tür und erklärte, daß er mich selbst zu Mr. Alfreds Büro hinüberführen werde.
Wir gingen die Stiege hinab, bogen nach rechts in einen Durchgang, der mit rostigem Abfall übersät war, und kletterten wieder eine Treppe hinauf zu einer Tür, an deren Klinke ein Schild Frisch gestrichen hing. Mein Begleiter stieß die Tür mit dem Absatz auf und verkündete einer ältlichen, gequält aussehenden Jüdin, die ihn unwillig über ein Meer von Blaupausen hinweg anstarrte, daß ich der Herr für Mr. Alfred sei.
Ich selbst begann daran zu zweifeln. Was ich bisher von der Spartacus Machine Tool Company gesehen hatte, imponierte mir so
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