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Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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haben. Was ich aber nicht verstehe, ist, daß Bellinetti nicht wußte, wo ich war. Ich habe es Umberto gesagt. Übrigens, woher wußten Sie , daß ich in Rom war? Ich versuchte, Ihnen vor der Abreise zu telefonieren, aber es kam niemand an den Apparat.«
    Er grinste. »Ja, das ist das Ende der Geschichte. Ich sagte Ihnen ja, daß die Leute heute morgen wieder in Ihrem Büro anfingen. Nun, Tamara und ich waren ziemlich früh im untern Stock. Wir hatten nicht die leiseste Ahnung, was mit Ihnen los sein könnte. Ich muß sagen, daß wir in größter Unruhe waren. Wenn Sie direkt ins Parigi zurückgegangen wären, hätte man Sie dort verhaftet. Ich ging hin, um Näheres zu erfahren, aber das Haus war voll von Ovra-Agenten, und wenn ich nach Ihnen gefragt hätte, wäre es vielleicht schiefgegangen. Wir beschlossen, daß es am besten sei, beim Telefon zu bleiben und auf Ihren Anruf zu warten. Vielleicht hatten Sie ja erfahren, was passiert war. Dann, gegen zehn Uhr, kratzte es an der Tür, und der junge Mann, der bei Ihnen arbeitet – Umberto, so heißt er doch – schlüpfte herein, mit zitternden Knien und außer sich vor Angst. Er wollte wissen, ob ich ein Freund von Ihnen sei. Ich sagte: Ja. Er sagte, er sei oben verhört worden, und dann hätte man ihn nach Hause geschickt, bis man ihn wieder rufen würde. Er kam zu mir, weil er Ihretwegen in Unruhe war. Er scheint Sie gern zu haben, der Junge. Man fragte ihn, wo Sie wären, und verfuhr dabei nicht allzu sanft, denn er hatte eine aufgesprungene Lippe und Spuren einer Hand auf der Wange. Aber er hat ihnen nichts verraten. Er hat gesagt, er weiß es nicht. Es schien mir, daß er wußte, wer und was die Leute waren, und Angst um Sie hatte.«
    »Sie haben seinen Vater ermordet«, sagte ich kurz.
    »Ah! Es war ein Glück, daß Sie Umberto gesagt hatten, wo Sie waren. Er hatte vergessen, es Bellinetti mitzuteilen, der fast den ganzen Tag aus gewesen war. Aber mir sagte er es, und so ließ ich Tamara am Telefon und richtete mich auf dem Bahnhof häuslich ein.«
    Ich schwieg einen Augenblick. Meine Gedanken waren durchaus nicht die angenehmsten.
    Schließlich fragte ich: »Und was machen wir jetzt?«
    Zaleshoff sah zum Fenster hinaus. »Das erste, was wir tun, ist aussteigen. Vor Brescia hält der Zug, glaube ich, nicht, aber vorher wird schon ein Schaffner kommen, und keiner von uns hat eine Fahrkarte. Außerdem …« Er unterbrach sich und fragte: »Wieviel Geld haben Sie bei sich?«
    Ich schaute in meine Brieftasche.
    »Über vierhundert Lire, fast fünfhundert.«
    »Das ist alles? Was ist mit den dreitausend von Vagas?«
    »Das meiste davon habe ich bei der Bank eingezahlt.«
    »Was haben Sie in der Reisetasche?«
    »Pyjama, Unterwäsche zum Wechseln, ein schmutziges Hemd, eine Zahnbürste und Rasierzeug.«
    »Stecken Sie die Zahnbürste und das Rasierzeug in die Rocktasche, auch Ihre Unterwäsche, wenn Sie sie behalten wollen, und geben Sie mir die Reisetasche.«
    »Aber, Zaleshoff …«
    »Sprechen werden wir später«, sagte er ungeduldig. »Bei Treviglio vermindert der Zug seine Geschwindigkeit.«
    Ich tat, wie geheißen. Er nahm die Tasche und untersuchte sie eingehend.
    »Keine Initialen, kein Name und Adresse irgendwo?«
    »Nein.«
    »Gut. Gehen wir.«
    Er ging vor mir durch den Korridor.
    »Jetzt werde ich durch den Korridor bis zum letzten Waggon vor dem Gepäckwagen gehen. Sie folgen mir, aber nicht zu dicht. Es könnte sich jemand darüber wundern, warum ich eine Reisetasche mit mir herumtrage, wenn wir nicht in der Nähe einer Station sind, und Sie wollen doch auch nicht in Diskussionen verwickelt werden.«
    Er verschwand in der Richtung des Zugendes. Ich folgte ihm langsam. Plötzlich erschien er wieder und kam auf mich zu. Er machte ein ernstes Gesicht.
    »Schnell in die Toilette am andern Ende des Wagens. Der Schaffner kommt. Schließen Sie sich nicht ein, sonst wartet er auf Sie. Lassen Sie ihm zehn Minuten Zeit, dann kommen Sie zu mir in den letzten Wagen.«
    Er wandte sich um und verschwand mit der Reisetasche in der Toilette. Ich tat dasselbe am andern Ende des Korridors. Dort wartete ich fünf Minuten in höchster Nervosität. Dann hörte ich, wie der Schaffner die Tür des angrenzenden Abteils aufschob und die Fahrkarten verlangte. Eine lange Pause, dann wurde die Tür zugezogen. Der Mann blieb vor der Toilette stehen, offenbar um den Indikator anzusehen. Dann ging er weiter. Ein paar Minuten später traf ich Zaleshoff am Ende des Zuges. Ich hatte

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