Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
Vom Netzwerk:
keineswegs freundlich.
    »Das ist nicht schwer zu erraten. Die einzige Person, mit der wir nicht gerechnet haben – Ihre Freundin, Madame Vagas.«

13. Kapitel
    »Sie haben keine Wahl«
    D
    er Zug fuhr rascher. Zaleshoff redete weiter, und ich hörte ihm schweigend und ganz betäubt zu.
    »Ich sehe die Sache so«, sagte er. »Madame Vagas hatte eine Wut auf ihren lieben Gatten. Der Zettel, den sie Ihnen am Abend nach der Oper zusteckte, beweist das. Erinnern Sie sich, was sie behauptete? ›Er hat Ferning getötet.‹ Sie wußte sicher eine Menge. Mir scheint fast, sie wußte mehr als Vagas. Und es gibt nur eine Möglichkeit, wie sie Näheres über Fernings Liquidierung erfahren haben kann. Ich vermute, daß sich die Ovra, die wußte, daß sie Vagas wie Gift haßte, ihr näherte und sie veranlaßte, ihn zu überwachen. Sie stimmte mit Vorbehalt zu. Sie sagte ihnen noch nicht, daß er in Wirklichkeit ein deutscher Agent war. Sie muß ein bißchen verrückt sein. Das konnte man aus der Notiz an Sie sehen. Sie wußte, daß Vagas Ferning nicht mit eigener Hand umgebracht hat. Aber sie wußte, daß er gewissermaßen moralisch dafür verantwortlich war. Ihr Haß machte aus dieser moralischen Verantwortung eine direkte. Sie muß ihn gewaltig gehaßt haben«, fügte er nachdenklich hinzu.
    In meiner Erinnerung tauchten die barocken Vorhänge in dem Hause am Corso di Porta Nuova auf, die obszönen Wandgemälde, Ricciardo, wie er bleich und überfeinert in seinen blutroten Kniehosen durch die Halle glitt. Ein Duft von Weihrauch hatte in der Luft gehangen. Ich erinnerte mich an das plötzliche Aufflammen tödlichen Hasses zwischen Mann und Frau. ›Gespräche über den Tod deprimieren sie.‹
    Einen Augenblick lang glaubte ich, Madame Vagas zu verstehen; ich beobachtete, was in ihrem Kopf vorging, und ich fand sie entsetzlich vernünftig. Dann war der Augenblick vorbei. Ich sah Zaleshoff an.
    »Vagas ist entwischt, sagten Sie?«
    »Ja, er ist entwischt. Ich weiß nicht einmal, ob man einen Haftbefehl gegen ihn erlassen hat. Vielleicht nicht. Vermutlich spielte sich die Sache so ab, daß seine Frau, nachdem sie der Ovra alles aufgedeckt hatte, nicht widerstehen konnte, ihm dies auch unter die Nase zu reiben. Als ihm klar wurde, daß sie von seiner Agententätigkeit für die Deutschen wußte, fand er es an der Zeit, zu verschwinden. Seine Vorgesetzten hatten ihm zwar schon einmal das Eisen aus dem Feuer geholt, aber er konnte sich nicht darauf verlassen, daß sie dies noch einmal tun würden. Man kann sich nicht immer und überall durchkaufen. Früher oder später trifft man auf Leute, die noch nichts vom Kuchen bekommen haben. Dann ist man geliefert. Also tat Vagas, was jeder vernünftige Mensch an seiner Stelle getan hätte. Es war sein Glück, daß er noch die Gelegenheit dazu hatte, und das wußte er.«
    »Sie sagten, man hätte die Sache mit meinen Berichten an Vagas herausgefunden. Madame Vagas dürfte doch kaum etwas davon gewußt haben.«
    »Darauf wollte ich gerade kommen. Tamara und ich waren gestern abend in unserem Büro, als das Ihre durchsucht wurde. Bellinetti war mit ihnen als eine Art offizieller Führer, aber Ihr junger Mann war nach Hause gegangen. Ich wußte, daß Sie abwesend waren, da ich Sie am Abend vorher im Parigi angerufen hatte und man es mir dort sagte. Als ehrbarer Bürger, der sich wundert, was der ganze Lärm bedeutet, ging ich hinauf und drohte ihnen mit der Polizei. Es war eine Bande von Schurken. Natürlich warfen sie mich sofort hinaus, aber ich entdeckte zwei Dinge. Das eine war, daß Bellinetti nicht wußte, wo Sie waren, was mir sonderbar vorkam. Das zweite war, daß sie die Sache mit den Postlagerbriefen herausfanden. Als ich hereinplatzte, hörte ich einen der Kerle zum anderen sagen, daß sie nach Korrespondenzen von einem gewissen Venezetti suchen sollten. Das gab mir einen Fingerzeig. Niemand außer Madame Vagas kann das gewußt haben.«
    Mir fiel etwas ein. »Vagas hatte ihr gesagt, daß er mich damals am Abend auf der Autostrada traf. Sie hatte mir Grüße gesandt.«
    »Ach wirklich? Na, dann haben wir’s. Vagas muß verrückt gewesen sein, ihr zu trauen. Aber seine eigene Selbstsicherheit erhob sie offenbar über jeden Verdacht.«
    »Warum sollte sie mich aber zuerst warnen und dann dies tun?«
    »Vermutlich fand sie, daß Sie selbst schuld seien, wenn Sie ihre Warnung nicht beachteten. Und dann muß Vagas wohl etwas getan haben, was sie ganz verrückt machte.«
    »Sie mögen recht

Weitere Kostenlose Bücher