Anlass
die nötigen Ersatzteile aus England beschafft werden könnten, und auch über die Möglichkeit einer Leistungssteigerung der unbeschädigten Maschinen. Außerdem sollte ich den entstandenen Schaden abschätzen.
Bellinetti war, wie gewöhnlich, nicht im Büro. Ich sagte Umberto, wohin ich fahren wollte, und ging ins Parigi zurück. Dort packte ich die Sachen, die ich für eine Nacht im Hotel brauchen würde, in eine Reisetasche, schlang ein Abendessen hinunter und nahm den Nachtzug nach Rom.
Den folgenden Tag verbrachte ich in den Ruinen der ausgebrannten Fabrik. Der Schaden war größer, als ich vermutet hatte, und die Pechvögel, die den Kontrakt mit der Strafklausel unterzeichnet hatten, hatten den Kopf verloren. Schließlich sandte ich ein langes Telegramm an Fitch und erhielt von ihm eine beruhigende Rückantwort über die Lieferung der Ersatzteile. Der Werkdirektor küßte mich auf beide Wangen. Es war aber sehr spät, als ich wegkam, und ich war hundemüde. Ich beschloß, die Nacht in Rom zu bleiben und am nächsten Tag nach Mailand zurückzufahren.
Gegen halb sieben des nächsten Abends lief mein Zug in die Mailänder Stazione Centrale ein. Der Zug war fast auf der ganzen Strecke überfüllt gewesen. Jetzt begann er sich zu leeren. Der Korridor war mit Menschen und Gepäck vollgestopft. Ich stand vor meinem Abteil und wartete ungeduldig auf eine Möglichkeit, auszusteigen, als ich Zaleshoff erblickte.
Der Bahnsteig war gedrängt voll Menschen, die auf den Zug warteten. Er stand am Rand der Menge und musterte nervös die ankommenden Passagiere. Ich beugte mich aus dem Fenster und winkte. Dann sah er mich.
Er winkte nicht zurück. Ich bemerkte, wie er den Bahnsteig hinauf- und hinunterschaute und sich dann durch die Menge zu dem Fenster vordrängte, an dem ich lehnte. Eine Sekunde später stand er unter mir. Ich wollte ihn gerade fragen, wen er erwartete, als er aufblickte. Etwas in seinem Gesicht beunruhigte mich.
»Was ist los?«
»Gehen Sie in Ihr Abteil zurück und bleiben Sie dort.«
Seine Aufforderung klang sehr dringend. Er sah wieder weg und beobachtete den Bahnsteig.
»Was zum …«
»Tun Sie, was ich Ihnen sage.«
»Aber dieser Zug geht nach Venedig.«
»Das spielt keine Rolle. Gehen Sie hinein und bleiben Sie außer Sicht, öffnen Sie Ihre Reisetasche und schauen Sie hinein. Ich steige in einer Minute zu und komme zu ihnen, wenn der Zug aus dem Bahnhof ist.«
Er hatte nicht lauter gesprochen, aber sein Ton war so eindringlich, daß ich gehorchte. Völlig verwirrt kehrte ich in das Abteil zurück und öffnete meine Tasche. Als ich zur Seite schielte, sah ich ihn einen Augenblick später, wie er mit dem Rücken gegen die Glastür des Abteils stand. Er blieb bewegungslos auf dem Gang stehen, bis der Zug anfuhr. Dann nahm er sein Taschentuch und wischte sich die Stirn ab. Er wandte sich erst um, als der Zug aus dem Bahnhof war. Dann schob er die Tür auf, kam ins Abteil, schloß die Tür wieder hinter sich und zog die Vorhänge zu.
Dann drehte er sich zu mir um und grinste.
»Ich habe heute auf jeden Zug aus Rom gewartet«, sagte er. »Mir scheint, man fängt an, sich für mich zu interessieren.«
»Was, zum Henker, hat das alles zu bedeuten?« fragte ich.
»Setzen Sie sich, und ich erzähle es Ihnen.«
»Was ist geschehen?«
Er zog seine Zigaretten heraus und setzte sich mir gegenüber. »Der Teufel ist los«, sagte er ruhig.
»Was soll denn das heißen?« Ich war beunruhigt und fing an, gereizt zu werden.
»Gestern nachmittag ist Vagas per Flugzeug nach Belgrad entkommen. Er konnte nur mit knapper Müh und Not fort, denn Ihr Freund, Commendatore Bernabò, wurde um sieben verhaftet. Man erwartete ihn, als er nach Hause kam. Und gegen Sie läuft ein Haftbefehl. Gestern abend um acht Uhr wurde Ihr Büro durchsucht. Es war die Ovra, nicht die reguläre Polizei. Sie haben alles gründlich durchgekämmt – heute waren sie den ganzen Tag damit beschäftigt. Bellinetti hatte vermutlich eine Riesenfreude. Die einzige Schwierigkeit war, daß sie nicht wußten, wo Sie sind. Aber man beobachtet alle drei Bahnhöfe. Sie wären nicht aus dem Hauptbahnhof gekommen, ohne verhaftet zu werden.«
»Aber worum handelt es sich?«
»Die Anklage lautet auf Bestechung von Regierungsbeamten. Das ist natürlich Bernabò. Aber viel unangenehmer ist, daß man Ihre Berichte an Vagas entdeckt hat.«
Ich schluckte heftig und hatte plötzlich panische Angst.
»Aber wer …«, begann ich.
Er lachte kurz und
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